Ihr Begleiter durch die Woche
Mehr Mut zum Unvollständigen

Igor Lindner

Ein Zeitlang habe ich im Fernsehen ganz gerne "Das perfekte Diner" geschaut. Am Freitagabend anderen auf dem Sofa zusehen, wie sie nach Kochkunst, Gastgeberqualitäten und Berühmtheit strebten! Da wurde eingekauft, vorbereitet, gekocht, serviert und dazu noch die perfekte Wohnung gezeigt. Perfekt eben sollte es werden!

Besonders interessant war, wenn etwas schief ging: das Fleisch zu hart, den Vegetarier vergessen oder über den Hund gestolpert. Sicherlich, mancher hatte dann sein größtes Lachen an der Schadenfreude. Doch das war es nicht. Es kam ein menschlicher Zug rein durch diese Schwächen, durch das Scheitern eines großartigen Menüplans. Ja, was, wenn etwas nicht klappt? Perfekt! Das gilt heute als größtes Lob. Wirklich? Perfekt, dieses Wort gefällt mir manchmal gar nicht. Bei der Metallfertigung ja. Hier muss es tatsächlich genau passen. Da geht es um Bruchteile von Millimetern. Doch bei Hobbyköchen? Oder im zwischenmenschlichen oder persönlichen Bereich? Wenn da mal etwas nicht gelingt, dann kann es richtig bitter werden. Wer ist schuld? Warum dies, warum das? Hättest du nicht... Und im Netz geht es dann erst so richtig gnadenlos zur Sache. Da scheint es keine Grenzen mehr zu geben, wenn der Sündenbock einmal ausgemacht ist. Wenn etwas gelingt, das ist natürlich wunderbar, nach wie vor. Ein guter Wein, ein gutes Brot, eine schöne Wanderung. Doch was, wenn etwas nicht gelingt, du nicht mehr so kannst wie früher? Wenn unvorhergesehenes passiert, oder etwas total daneben geht? Ich wünsche uns mehr Mut zum Unvollständigen und weniger Aufregung. Im Umgang mit uns selbst und anderen. Manchmal gehen Sachen schief. So ist das. Das zu akzeptieren hat etwas von Größe, ja von Befreiung. Ich könnte mir vorstellen, dass Martin Luther heute sagen würde: Perfekt brauchst du nicht zu sein. Übe dich darin, gerade dann respektvoll mit anderen – und auch dir selbst – umzugehen, wenn etwas nicht gelingt. Und überhaupt, glaube es ruhig: Perfekt ist nur einer! Bestimmt würde Martin Luther auch heute mit Freunden gelassen an einer gedeckten Tafel sitzen. Mit Sicherheit gingen Soße, Bier und Wein auch auf die Tischdecke. Er würde fröhlich Witze erzählen und sich seines Gottes freuen!
Ich wünsche Ihnen einige schöne, herrlich unvollkommene Tage um den Jubiläums- Reformationstag herum.
Igor Lindner
ev. Gefängnispfarrer, JVA Offenburg

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