Zu wenig Polizisten für die ansteigende Kriminalität
Ortenau. „Wir pfeifen aus dem letzten Loch“, bringt es Joachim Lienert von der Gewerkschaft der
Polizei (GdP) Bezirksgruppe Offenburg im Rahmen eines Pressegesprächs
auf den Punkt. „Mehr Personal für die Polizei in Mittelbaden“, fordert
die Gewerkschaft deshalb und will dieses Anliegen mit vier
Informationsveranstaltungen und einer abschließenden Kundgebung
öffentlich machen.
„Die Kriminalitätsbelastung ist steigend bei sinkenden Personalzahlen“, macht der Vorsitzende Reinhard Grußeck
deutlich. Außerdem spiele auch die Altersstruktur eine große Rolle.
„Viele Kollegen sind über 50.“ Vor einigen Jahren seien 1000 Stellen bei
der Polizei in Baden-Württemberg eingespart worden. Diese fordert die
GdP-Bezirksgruppe Offenburg nun zurück: „Baden-Württemberg liegt bei der
Polizeidichte pro Einwohner auf den letzten Plätzen.“ Ein paar Zahlen
machen dies deutlich: Während in Berlin 4,8 Polizisten auf 1000
Einwohner kommen, sind es in Baden-Württemberg gerade mal 2,26.
Doch dem Polizeipräsidium Offenburg, das für den Ortenaukreis, den
Stadtkreis Baden-Baden und den Landkreis Rastatt zuständig ist, fehlten
nicht nur deshalb Stellen. „Bei der Berechnung des Personalbedarfs
fließt die Kriminalitätsbelastung nur zu 25 Prozent ein“, erläutert
Grußeck. Der Rest würde durch die strukturellen Angaben bestimmt – zum
Beispiel, ob es im Präsidiumsbezirk ein Ballungszentrum gebe oder nicht.
Dabei würde der Ballungsraum Straßburg in Stuttgart übersehen: „Wir haben offene Grenzen und die Menschen kommen hierher“,
so Grußeck. „Der Grenzfluss wird vom Innenministerium nicht
berücksichtigt.“ Zum Vergleich: Der Ballungsraum Stuttgart hat 604000
Einwohner. Die Großraum Straßburg schlägt mit etwa 640000 Einwohnern zu
Buche. Joachim Lienert macht die Diskrepanz deutlich: „Das Polizeirevier
Offenburg hatte 2014 120 Stellen und es wurden 6195 Staftaten
verzeichnet. Das Polizeirevier Esslingen hat 176 Stellen und 4948
Straftaten vergangenes Jahr.“
Ein weiterer Aspekt sei die Tatsache, dass Offenburg personell das kleinste Polizeipräsidium sei,
aber ebenfalls sämtliche Aufgaben erfüllen müsse. Explizit wollte man zu
den Auswirkungen der Polizeireform keine Stellung beziehen, machte aber
darauf aufmerksam, dass die Fläche groß sei und durch die Einrichtung
des Kriminaldauerdienstes und der Verkehrsunfallaufnahmengruppen die
Reviere nicht entlastet worden seien. „Die ersten, die an den Tatort
gerufen werden, sind die Streifenwagen“, so Hans-Jürgen Ams,
stellvertretender GdP-Vorsitzender.
Dem Polizeipräsidium Offenburg stehen 1413 Stellen zu. Davon arbeiten 1248,5 Beamte im
Polizeivollzug, 20 sind Verwaltungsbeamte und 144,5 sind
Tarifbeschäftigte. „Bis auf vier Stellen im Polizeivollzugsdienst und
zwei Stellen für Tarifbeschäftigte sind alle Stellen besetzt“, so
Patrick Bergmann, Pressesprecher des Polizeipräsidiums. Im Bereich
Leitung, Verwaltung sowie Führungs- und Einsatzstab sind 101, bei der
Kriminalpolizei 219, bei der Verkehrspolizeidirektion 129 und bei der
Direktion Polizeireviere 817 beschäftigt. Und die Grenzlage? „Das
Polizeipräsidium Offenburg hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass
die Auswirkungen durch die Grenzlage zum kriminalgeografischen Großraum
Straßburg bei der Personalverteilung im Land Baden-Württemberg,
abgesehen von Sonderzuschlägen für Häufigkeitszahlen, noch stärker
berücksichtigt werden sollte“, so Bergmann.
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