Kreisbrandmeister Bernhard Frei im Interview
Kameradschaft ist Basis für Zusammenarbeit bei Feuerwehr
Ortenau (st). Der Ortenaukreis hat mit Bernhard Frei seit April vergangenen Jahres einen hauptamtlichen Kreisbrandmeister - Zeit für das Landratsamt in einem Interview
mit ihm die Anfänge Revue passieren zu lassen und in die Zukunft zu blicken.
Blicken wir rund 1,5 Jahre zurück - hatten Sie einen guten Start in die neue Aufgabe?
Ja, durchaus. Von den Feuerwehr-Kommandanten, aber auch von meinen Stellvertretern und meinen Kollegen beim Landratsamt Ortenaukreis, bekam ich viel Unterstützung, das hat mir den Start leicht gemacht. Die enge und ehrliche Zusammenarbeit mit den Werk- und Freiwilligen Feuerwehren ist mir wichtig, so dass gerade in der Anfangsphase viele Termine im Kalender standen. Auch am Abend oder am Wochenende hielt ich den Kontakt mit den Feuerwehren im Landkreis bei den verschiedensten Veranstaltungen, um deren unterschiedliche Anforderungen und Aufgaben kennen zu lernen. Ich wurde dabei von allen ganz offen und freundlich aufgenommen und durfte viele verschiedene Menschen kennenlernen, das hat mich sehr gefreut.
Welche Aufgaben hat eigentlich ein Kreisbrandmeister?
Der Kreisbrandmeister beaufsichtigt das Feuerwehrwesen der 51 Gemeinde- und elf Werkfeuerwehren im gesamten Ortenaukreis. Er arbeitet eng mit den Feuerwehren sowie den Verwaltungen der Städte und Gemeinden zusammen. Insbesondere unterstützt er sie bei der Festlegung von Alarm- und Ausrückordnungen, der Beschaffung von Feuerwehrausrüstungen und der Organisation der Aus- und Fortbildung. In bestimmten Fällen kann er als Sachverständiger im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes von den zuständigen Baurechtsbehörden herangezogen werden. Bei Bränden, Katastropheneinsätzen und Unglücksfällen kann von dem Kreisbrandmeister oder seinen Stellvertretern die Einsatzleitung vor Ort übernommen werden.
Was macht das Feuerwehrwesen im Ortenaukreis aus?
Der Ortenaukreis ist der flächengrößte Landkreis in Baden-Württemberg. Seine Größe und Struktur stellt eine große Herausforderung für unsere Einsatzkräfte dar. Die Vielseitigkeit reicht vom ländlichen Raum über die verschiedenen Industriebetriebe, davon zahlreiche Weltmarktführer, bis hin zu Betrieben für Freizeit und Tourismus. Auch die hiesige Verkehrsinfrastruktur mit der Bundesautobahn 5, der Rhein als bedeutende Binnenwasserstraße sowie die Bahnstrecken stellen besondere Anforderungen an die Feuerwehren. Dafür brauchen wir hier ein flächendeckend gut ausgebildetes Feuerwehrwesen, um für den Einsatzfall gerüstet zu sein.
Mussten Sie schon negative Erfahrungen sammeln?
In wenigen Fällen wurden die überwiegend ehrenamtlichen Kräfte vor Ort schon bei ihrer Arbeit von Einzelnen behindert oder gar direkt angegriffen. Das ärgert mich ungemein. Auch der Notrufmissbrauch, also böswillige Fehlalarmierungen über den Notruf 112, sorgen bei den Einsatzkräften und den Mitarbeitern der Integrierten Leitstelle des Landkreises für Frust und Ärger. Häufig funktioniert auch die Bildung einer Rettungsgasse, wie zuletzt auf der Autobahn bei Achern, nicht. Im Innenstadtverkehr wissen Verkehrsteilnehmer oft nicht, was zu tun ist, wenn sie einem Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Sondersignal begegnen, so dass die Einsatzfahrzeuge nur erschwert oder verspätet die Einsatzstelle erreichen können. Es ist jedoch sehr wichtig, dass das Einsatzfahrzeug freie Bahn hat. Also: Ruhe bewahren und je nach Situation rechts am Straßenrand anhalten oder bis zur nächsten geeigneten Ausweichstelle weiterfahren. Abruptes Abbremsen aber sorgt immer wieder für gefährliche Situationen.
Was macht Ihnen Freude beider Arbeit und welche positiven Ereignisse bleiben Ihnen in Erinnerung?
Beim Großbrand in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Kehl im Sommer 2016 haben wir ganz
unkompliziert Unterstützung von den Straßburger Kameraden erhalten. Das war klasse! Auch das gemeinsame ABC-Gefahrenabwehrkonzept, also die gegenseitige grenzüberschreitende Unterstützung beim Gefahrstoffeinsatz, zeigt, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit der Feuerwehren gut funktioniert. Das beweist sich auch in den Einsätzen des deutsch-französischen Feuerlöschbootes „Europa 1“. Es freut mich sehr, dass die interkommunale Zusammenarbeit der Feuerwehren im Kreis funktioniert und immer mehr an Bedeutung und Akzeptanz gewinnt. Das zeigt sich nicht nur bei Einsätzen, wie kürzlich bei den Wald- und Gebäudebränden, sondern auch bei den gemeinsamen kreisweiten Ausbildungen und der Zusammenarbeit bei der Gerätewartung. Die gute Kooperation mit dem Kreisfeuerwehrverband als Sprachrohr der über 9.000 Angehörigen der Feuerwehren im Landkreis bereitet mir ebenfalls Freude.
Lassen Sie uns nun in die Zukunft blicken. Welche Ziele setzen Sie sich für die Feuerwehren und den Brandschutz im Ortenaukreis?
Die Förderung des Ehrenamtes steht ganz oben auf meiner Liste. Ich möchte die ehrenamtliche
Arbeit durch eine zentrale Weiterbildung wertschätzen und mit Hilfe von Konzepten für Ausbildung, Führung und Einsatz entlasten. Den weiterhin steigenden Anforderungen, strukturellen Veränderungen im Feuerwehrwesen und dem demographischen Wandel, möchte ich offen begegnen und gemeinsam mit den Feuerwehren dazu beitragen, den hohen Sicherheitsstandard im Landkreis weiterhin zu halten und zu fördern. Ich wünsche mir, dass die Motivation und Begeisterung der Feuerwehrangehörigen für das Feuerwehrwesen auch für die Zukunft erhalten bleibt, denn eine gute Kameradschaft ist Basis funktionierender Zusammenarbeit. Mein größter Wunsch allerdings ist, dass alle Kameraden immer gesund von ihren zahlreichen Übungen, Fortbildungen und Einsätzen nach Hause zu ihren Familien zurückkehren.
Zur Person:
Bernhard Frei ist 37 Jahre alt, verheiratet und seit Februar 2017 Vater einer
Tochter. Er lebt mit seiner Familie in Gengenbach und ist dort ehrenamtlicher Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr. Als 13-Jähriger trat er der Jugendfeuerwehr Gengenbach bei und ist seit 1998 im aktiven Feuerwehrdienst tätig. Von 2001 bis 2011 war er Mitglied im Ausschuss der Jugendfeuerwehren des Ortenaukreises und Fachbereichsleiter „Wettbewerbe“, weiter war Frei vier Jahre bis 2011 stellvertretender Kreisjugendfeuerwehrwart. Bevor er im April 2016 zum ersten hauptamtlichen Kreisbrandmeister des Ortenaukreises bestellt wurde, war er etwas mehr als ein Jahr ehrenamtlicher stellvertretender Kreisbrandmeister für den Abschnitt Offenburg/Kinzigtal.
Info:
Der Ortenaukreis ist der flächenmäßig größte Landkreis in Baden-Württemberg. Zur Aufgabenerfüllung hat der hauptamtliche Kreisbrandmeister ehrenamtliche Stellvertreter, die aufgrund der langen Anfahrtswege jeweils für einen räumlichen Abschnitt zuständig sind. Im Ortenaukreis gibt es 51 Gemeindefeuerwehren mit 149 Abteilungen sowie elf Werkfeuerwehren. In den Feuerwehren sind über 5.600 Personen, davon 225 Frauen und 54 hauptamtliche Feuerwehrangehörige, aktiv tätig. Zusätzlich sind 1.460 Angehörige in den Jugendfeuerwehren und mehr als 2.180 Mitglieder in den Altersabteilungen. 750 Brände und Explosionen, 2.120 Technische Hilfeleistungen, 430 sonstige Einsätze und 920 Fehlalarmierungen wurden von den Feuerwehren im vergangenen Jahr bewältigt. Hinzu kamen insgesamt 41 Lehrgänge auf Gemeinde- und Kreisebene mit 750 Teilnehmern sowie rund 160 weitere Lehrgänge an der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg.
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