Stadtmauer bedroht: "tragische" Situation um drei Platanen im Vizentiusgarten
Elf Bäume in der Innenstadt sind kaum mehr zu retten
Offenburg (rek). Der Montag geht nicht als Tag des Baumes in die Geschichte des Gemeinderats ein. Das Aus für elf Bäume in der Innenstadt ist mehr oder minder besiegelt. Es trifft die vier Bäume auf dem Lindenplatz, drei Ahornbäume in der Lange Straße sowie einen an der Ecke Turmgasse und drei über 100 Jahre alte Platanen im Vinzentiusgarten direkt an der Stadtmauer. Dass es dabei – zumindest im Planungsausschuss – Einmütigkeit bei den Abstimmungen gab, kann als Zeichen für innere Zerrissenheit von Verwaltung und Stadträten gewertet werden. Allein bei den Platanen wollten sich Jürgen Ochs und Norbert Großklaus einer Fällung nicht anschließen.
Die Linden erwischt es wohl noch im November, um noch in dieser Vegetationsperiode neue Linden fachgerecht anpflanzen zu können. Hintergrund sind bei den Pflanzungen in den 1980-er Jahren viel zu eng bemessene Wachstumsräume für die Wurzeln und dadurch eine vorzeitige Alterung und untypischer Wuchs der Baumkronen. Die Lange Straße verliert ihre Bäume in der nächsten Bauphase der Umgestaltung und erhält dann ebenfalls neue. Hier plädierte die CDU für einen "klaren Schnitt", die Grünen für die "große Lösung", die FDP sieht die Fällung als "alternativlos" und auch SPD und Freie Wähler waren für vier gleichwertigen Ersatz für die Linden. Damit der Lindenplatz flexibel für Veranstaltungen genutzt werden kann, sieht Bürgermeister Oliver Martini für zwei zusätzliche Bäume zur Lange Straße, wie von den Grünen angeregt, keine Möglichkeit.
Der Bauzaun im Zwingerpark unterhalb des Vinzentiusgartens dient als Schutz vor möglichen Brocken der Stadtmauer, die herabzustürzen drohen. Denn unterhalb der Krone bilden sich in diesem Bereich Risse durch das gesamte Mauerwerk. Verursacht haben die Risse die dort stehenden über 100 Jahre alten Platanen, die mit zum typischen Bild des Vinzentiusgarten beitragen. Unter Beobachtung stellte das beauftragte Ingenieurbüro Grau den Bereich noch im Jahr 2011. Jetzt, so die Gutachter, sei die Stadtmauer gefährdet. Der Baumsachverständige Thomas Herdt schilderte den Stadträten die Hintergründe: Weil die Platanen durch ihre Nähe zur Stadtmauer keine Wurzeln bilden konnten und ihre Standfestigkeit durch ein "Anlehnen" an die Stadtmauer sicherstellten, schädigen sie die Mauer. Nach Aussage des Ingenieurbüros kann es in diesem Bereich jederzeit zu einem Teilsturz der Mauer kommen.
Die Stadträte wollten dem so einfach nicht folgen. So beantragte die SPD, Alternativen zu prüfen. In den Raum wurden Befestigungen oder bautechnische Lösungen gestellt, unterstützt von den Grünen. Keine Chance, so die beiden Sachverständigen. Sowohl Befestigungen des Stamms als auch bautechnische Lösungen im Untergrund haben solche Ausmaße, dass der Platz nicht vorhanden ist, diese auszuführen. "Der Baum ist quasi mit der Stadtmauer verschmolzen", erklärte Herdt: eine Sanierung der Mauer mit den Platanen ist nicht möglich. Auch die Verwaltung hat lange um die Bäume gekämpft, machte Martini klar. Herdt machte zudem klar, dass ein Rückschnitt zum jetzigen Zeitpunkt eine "Vergewaltigung" bedeutet.
Als "tragisch" für die "Prachtkerle" von Bäumen bezeichneten Stadträte die Situation. Als Konsequenz zog die SPD ihren Prüfantrag zurück und mehrheitlich wurde beschlossen, die Bäume zu fällen. Allein das, so Herdt, werde aufwändig, da die Bäume von oben in Teilstücken aufgrund der örtlichen Situation gefällt werden müssen.
Beschlossen wurde damit auch, die Stadtmauer in drei Stufen zwischen den Jahren 2018 und 2026 für einen Gesamtbetrag von rund drei Millionen Euro rundum zu sanieren und ihr dadurch eine neue Bedeutung zu geben.
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