Im Sundheimer Grund
Bagger reißt illegale Wochenendhäuser ein

Das Abbruchmaterial  füllte am frühen Mittwochmorgen rasch eine ganze LKW-Mulde. | Foto: Stadt Kehl
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  • Das Abbruchmaterial füllte am frühen Mittwochmorgen rasch eine ganze LKW-Mulde.
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Kehl (st) Die Stadt muss handeln: Seit vergangenem Mittwochmorgen ist im Natur- und Landschaftsschutzgebiet Sundheimer Grund der Bagger aktiv und reißt illegale Gartenhäuser und Hütten ein, die dort bereits seit Jahren stehen. Die Gesetzeslage ist eindeutig, die Geschichte lang und komplex. Erneut ins Rollen gebracht haben sie Hinweise von Naturschützern und Partys in der Corona-Pandemie, schreibt die Stadt Kehl in einer Pressemitteilung.

Der Sundheimer Grund ist Idylle pur. Wenn die Sommerhitze über der Stadt flirrt, ist es dort um einige Grad kühler. Spaziergänger, Jogger und Radfahrer sind gerne auf den Sträßchen und Wegen zwischen den verpachteten Parzellen unterwegs, genießen die tiefgrüne Landschaft, die Streuobstwiesen, das von Wasserläufen durchzogene Gebiet. Am frühen Mittwochmorgen übertönt Motorenlärm das Vogelgezwitscher in einem Teil des Naturschutzgebiets und das hässliche Krachen berstenden Holzes.
Wie mit einem verlängerten Arm packt der Greifer des Baggers präzise einzelne Latten der Holzwand und reißt sie ab. Als er größere Stücke abreißt, wird dahinter eine massiv gemauerte Wand sichtbar. Sogar eine Badewanne findet sich noch im ansonsten bereits freigeräumten Innern. Was von außerhalb der Parzelle betrachtet wie eine (überdimensionale) Gartenlaube anmutete, entpuppt sich nach einigen Baggerbissen als veritables Wochenendhaus.

Die Historie

Die Geschichte des Sundheimer Grunds beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Stadtverwaltung Lose an Kehler vergibt und diesen die Möglichkeit einräumt, sich selbst, Verwandte und befreundete Familien mit Obst zu versorgen. „Der Kerngedanke war das Streuobst“, sagt Guido Karsten, Leiter des Bereichs Liegenschaften bei der Stadt Kehl und damit zuständig für die rund 160 Pachtverhältnisse im Sundheimer Grund.

Rechtlich betrachtet ist die grüne Oase keine Einheit: Nur 24 der 160 Lose liegen im Naturschutzgebiet, 63 weitere gehören zum Landschaftsschutzgebiet und die übrigen befinden sich im sogenannten Außenbereich. Doch auch wenn sich der Schutzstatus der Parzellen dadurch unterscheidet, gilt für alle: Gartenhäuser und Hütten, die über einen 20 Kubikmeter umbauten Raum umfassenden Schopf für die Geräte hinausgehen, die für die Pflege des Grundstücks und der Obstbäume benötigt werden, sind verboten. Und das bereits seit dem 20. November 1996, als Teile des Sundheimer Grunds zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet wurden.

Schutzstatus

1999 schrieb die Stadt alle Pächterinnen und Pächter an und wies sie auf die strengeren Vorgaben hin. Allerdings ging man damals noch davon aus, dass vorhandene Hütten Bestandsschutz genießen. Im Laufe der Zeit sind die Geräteschuppen auf einigen Grundstücken (mehrfach) erweitert oder durch Gartenhäuser mit Aufenthaltsqualität ergänzt worden. Das Verbot, Erdreich abzugraben oder aufzufüllen, wurde dabei nicht selten ignoriert, weil das Häuschen ja gerade stehen soll. In den ersten 2000er-Jahren gab es Beschwerden über Partys auf einigen Parzellen, welche die Stadtverwaltung auf den Plan riefen. Es folgten Kontrollen und Gespräche mit Pächtern, die zum Abriss einiger Hütten führten.

2018/2019 gingen bei der Stadt Hinweise auf unerlaubte Gebäude auf einigen Grundstücken ein. Die Stadt veranlasste eine Befliegung mit Drohnen, wodurch auch durch Hecken geschickt versteckte Hütten aufgespürt wurden. „Durch die Aufnahmen konnten wir uns die Lose genauer anschauen“, sagt Guido Karsten. Die Pächter der Parzellen wurden angeschrieben und aufgefordert, die Bauten zu entfernen – nur wenige kamen dieser Pflicht auch nach.

Kein Bestandsschutz

Heute ist die rechtliche Einschätzung eine andere: Bestandsschutz gibt es nicht, Hütten und Zäune müssen weichen. Für die städtische Liegenschaftsverwaltung ist das keine leichte Aufgabe: Denn entscheidend ist, dass derjenige, der die Gartenlauben gebaut hat, die Kosten für deren Beseitigung tragen muss. Über die Jahre gab es zahlreiche Pächterwechsel, „aus den Unterlagen wird nicht immer klar, wer was wann errichtet hat“, schildert Guido Karsten das Dilemma. Gemeinsam mit Mitarbeitern der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts suchten Vertreter der Stadt die Pächter im Natur- und Landschaftsschutzgebiet auf und wiesen sie „mit Nachdruck“, wie Guido Karsten formuliert, darauf hin, dass die Rechtslage eindeutig und eine Ausnahme nicht zulässig ist. Dieses Vorgehen wurde auch durch einen Beschluss des Gemeinderats im Herbst 2023 bekräftigt. Vor Ort stand der Feldhüter der Stadt für Fragen zur Verfügung.

„Sehr viele Pächter waren bereit, ihre Hütten und Zäune zurückzubauen“, stellte der Leiter des Bereichs Liegenschaften fest; mit diesen wurden Vereinbarungen geschlossen. Wer sich korrekt verhält, kann sein Los behalten; die Pachtverträge verlängern sich dann automatisch. Nur etwa zehn Prozent der Nutzer kündigten die Verträge für ihre Parzellen. „Was zurückkommt, wird nicht mehr verpachtet“, sagt Guido Karsten. Die Stadt sorgt dann dafür, dass die Grundstücke „in ihren Urzustand zurückgeführt werden“. Die Kosten dafür trägt der Pächter, sofern die Bauten durch ihn errichtet wurden.

Hintergrund

Werden die Parzellen im Sundheimer Grund für Wochenendaufenthalte oder Partys – wie während der Corona-Pandemie – genutzt, ergeben sich für die geschützte Natur dadurch mehrere Probleme: Schon eine laute Feier kann Vögel dazu bewegen, ihr Nest und damit ihre Brut zu verlassen. So wie die Vögel im Sundheimer Grund keine zuverlässige Zuflucht mehr finden, können seltene Pflanzen dort nicht mehr gedeihen, wo statt zweimal pro Jahr, jede zweite Woche gemäht wird. Die einstige artenreiche Wiese ist auf vielen Grundstücken einem Rasen gewichen. Die meisten Pächter haben ihre Parzellen umfriedet, obwohl Zäune im Schutzgebiet nichts zu suchen haben, weil sie für Tiere Barrieren darstellen. Nicht nur Rehe können die Zäune oft nicht mehr überwinden, dichte Maschen lassen auch Hasen und Igeln keine Möglichkeit, hindurch zu schlüpfen. An hängenden oder kaputten Zäunen können Tiere sich verletzen.

Das Abbruchmaterial  füllte am frühen Mittwochmorgen rasch eine ganze LKW-Mulde. | Foto: Stadt Kehl
Sogar eine Badewanne kommt beim Abriss eines veritablen Wochenendhauses zum Vorschein. | Foto: Stadt Kehl

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