Fragen zur Grundsteuer
In Kehl sind 200 Widersprüche eingegangen

Bis zu 100 Anrufe mit Fragen zur Grundsteuerreform gehen im Büro der Kommunalen Abgaben unter der Leitung von Marc Wüst am Tag ein. | Foto: Stadt Kehl
  • Bis zu 100 Anrufe mit Fragen zur Grundsteuerreform gehen im Büro der Kommunalen Abgaben unter der Leitung von Marc Wüst am Tag ein.
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Kehl (st) Im Rathaus im Büro der Kommunalen Abgaben in Kehl klingelt dieser Tage unentwegt das Telefon und im elektronischen Postfach ploppt eine E-Mail nach der anderen auf. Die Anrufer und Absender treibt allesamt dasselbe Thema um: ihr Grundsteuerbescheid. Rund 14.000 Bescheide hat die Stadt am 20. Januar verschickt. Bei zahlreichen Eigentümern weist das Schreiben einen Betrag aus, der um ein Vielfaches höher ist als in den Jahren zuvor, so die Stadt Kehl in einer Pressemitteilung. Das sorgt bei den Betroffenen für Ärger und Frust. Bislang sind bei der Stadt 200 Widersprüche eingegangen.

„Die Menge der Rückmeldungen kam für uns keinesfalls überraschend“, berichtet Marc Wüst, bei der Stadt für kommunale Abgaben zuständig. Das Landesgrundsteuergesetz belastet insbesondere Eigentümer von Grundstücken, auf denen Ein- oder Zweifamilienhäuser stehen oder die gänzlich unbebaut sind. Marc Wüst weiß von Fällen in Kehl, in denen die Betroffenen das Dreizehnfache ihrer bisherigen Grundsteuer entrichten müssen. „Das sorgt natürlich für Frust“, sagt er. Quasi mit dem Versand der Grundsteuerbescheide hat das Team der kommunalen Abgaben eine Art doppelbesetzte Hotline eingerichtet: zwei Telefonapparate, die während der regulären Rathausöffnungszeiten unentwegt besetzt sind. „Wir helfen gerne“, betont Marc Wüst. „Allerdings sind wir an die Angaben des Finanzamts gebunden.“

Fragen zum Hebesatz

Bis zu 100 Anrufe am Tag gehen im Bereich für kommunale Abgaben ein, mit Fragen zur Grundsteuer im Allgemeinen oder zum kommunalen Hebesatz. „Manchmal ist der Ton sehr rau“, berichtet Marc Wüst. Das gilt auch im Schriftverkehr: „In einer ersten Email wurde uns direkt mit einer Untätigkeitsklage gedroht“, erinnert er sich. Aufgrund der Masse an Anfragen und weil die Widerspruchsfrist für die von der Stadt versendeten Bescheide noch nicht verstrichen ist, haben die städtischen Finanzdienste entschieden, die erste Grundsteuerrate nicht wie ursprünglich vorgesehen am Samstag, 15. Februar, sondern erst am Rosenmontag, 3. März, abzubuchen. „Die Anfragen müssen erst geprüft und beantwortet werden“, erläutert Marc Wüst.

Der sprunghafte Anstieg der Beträge geht auf das neue Grundsteuerreformgesetz zurück. Im April 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Bewertung von Grundstücken gekippt und die Bemessungsgrundlage als verfassungswidrig erklärt. Die Daten, mit denen die Finanzämter bis dahin gerechnet hatten, waren stark veraltet und stammten noch aus den Jahren 1964 (Westdeutschland) und 1935 (Ostdeutschland). Die gegenwärtigen Wertverhältnisse spiegelte das nicht mehr wider. Daher forderte das Bundesverfassungsgericht den damaligen Gesetzgeber auf, eine neue Berechnungsgrundlage zu schaffen. Das Ergebnis war die nun greifende Gesetzesreform. Der Gesetzgeber entschied zudem, den Bundesländern mit einer Grundgesetzänderung die Möglichkeit einzuräumen, eigene gesetzliche Regelungen zu treffen (die sogenannte Länderöffnungsklausel).

Regelung in Baden-Württemberg

Die baden-württembergische Landesregierung machte davon Gebrauch und verabschiedete 2020 das Landesgrundsteuergesetz. Anders als im Bundesmodell konzentriert sich die baden-württembergische Regelung auf zwei Richtwerte: die Grundstücksgröße und den Bodenrichtwert. Wird das Grundstück überwiegend zu Wohnzwecken genutzt, gibt es einen Abschlag in Höhe von 30 Prozent auf die gesetzlich vorgegebene Steuermesszahl. Aus der Grundstücksfläche, dem von den Gutachterausschüssen festgelegten (hier einsehbar: https://www.gutachterausschuesse-bw.de/) und der Steuermesszahl errechnet das zuständige Finanzamt schließlich den Grundsteuermessbetrag. Dieser wird anschließend mit dem Hebesatz der Gemeinde (Grundsteuer B) multipliziert.

Wie viele Kommunen strebt auch Kehl eine sogenannte Aufkommensneutralität an. Das heißt: Die Grundsteuereinnahmen sollen genauso hoch bleiben wie vor der Reform. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt es nicht. Dennoch haben zahlreiche Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg zugesagt, ihre Hebesätze einkommensneutral anzupassen und dadurch Mehrbelastungen für Grundstückseigentümer abzufedern. Anhand der novellierten Berechnungsgrundlage ist auch in Kehl ein neuer Hebesatz für die Grundsteuer B errechnet worden. Das Ergebnis war selbst für die städtischen Finanzdienste ein Kuriosum: Mit 460 Prozent liegt der neue Hebesatz auf demselben Niveau wie der alte – und damit bereits sehr nahe an der vom Landesfinanzministerium in dessen Transparenzregister ausgewiesenen Orientierungsspanne.

Einnahmen

Die Einnahmen aus der Grundsteuer B beliefen sich im Vorjahr auf rund 7,3 Millionen Euro. „Wir werden voraussichtlich eine ziemliche Punktlandung hinlegen“, ist Marc Wüst zuversichtlich. Die Grundsteuerreform bringt aber nicht nur Mehrbelastungen mit sich: Wer beispielsweise eine Eigentumswohnung in einem Mehrparteienhaus oder eine Gewerbefläche besitzt, muss mitunter weniger bezahlen. Bereits in der Gemeinderatssitzung im November 2024 hatte Stadtkämmerer Max Fäßler angekündigt, dass der neue alte Hebesatz für die Grundsteuer B noch einmal hinsichtlich der Einkommensneutralität evaluiert werden soll.

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