Fußnote
Kollektive "Krankheit"

Die Herbstwinde bringen Krankheit mit, hat eine frühere Nachbarin immer behauptet. Tatsächlich hat mir das stürmische Wetter Anfang der Woche einen leichten Schnupfen angeweht. Ob der Wind, das himmlische Kind, wohl auch daran schuld war, dass sich 200 Piloten der insolventen Air Berlin plötzlich gleichzeitig krankmelden mussten?

Wohl eher nicht, die Öffentlichkeit hat vielmehr Wind davon bekommen, dass diese Piloten in Wirklichkeit gar nicht arbeitsunfähig, sondern schlicht arbeitsunwillig gewesen waren. Der Zorn über ihre unsichere Zukunft hätte sie sozusagen "krank" gemacht. Nun ziemt es sich natürlich nicht, über Menschen zu spotten, die sich berechtigte Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen. Aber diese müssen schon ganz schön durch den Wind sein, wenn sie glauben, dass potentielle Käufer eines insolventen Unternehmens großes Interesse an der Übernahme solcher engagierter Mitarbeiter haben.

Warum ich hier so viel Wind um das Ganze mache? Tja, ich muss gestehen, dass ich das alles durchaus ein bisschen persönlich nehme. Wie an dieser Stelle bereits vor einiger Zeit berichtet, war ich selbst schon Opfer einer kollektiven "Spontanerkrankung" unzufriedener Air-Berlin-Mitarbeiter. Damals wollte "verschnupftes" Kabinenpersonal seinem Unmut Ausdruck verleihen. Statt mich wie vertraglich vereinbart, schnell wie der Wind nach Berlin zu fliegen, musste die Airline den Flug deshalb ausfallen lassen. Nun will ich nicht nachtragend sein. Aber mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit ist durch die nun neuen "Krankheitsausfälle" keineswegs gestiegen. Wer will sich schon ständig freiwillig in Geiselhaft begeben? Wenn so etwas droht, suchen sich Kunden mit Windeseile eine Alternative.

Geradezu ein Sturm der Empörung tobt zudem in der Steuerzahlerin in mir. Hallo, der Bund hat auch mit meinem Geld eine Zahlungsbürgschaft abgegeben, damit die insolvente Luftlinie weiter arbeiten kann, bis sich Käufer finden. Damit sollte verhindert werden, dass unzählige Reisende feststecken. Genau dafür haben die Piloten aber jetzt gesorgt. Mag sein, dass die Rettungsaktion der Bundesregierung auch mit der anstehenden Wahl am 24. September zu tun hat. Trotzdem ist das keine nette Art, jemandem zu danken, der dir erst einmal den Arbeitsplatz gerettet hat.
Vorgeschobene Krankheit für Machtspielchen zu nutzen, ist zudem einfach respektlos gegenüber den Menschen, denen es wirklich schlecht geht. Ein solches Verhalten stinkt drei Meilen gegen den Wind.Anne-Marie Glaser

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