Attacken auf Schiedsrichter
Einzelfälle werden extremer
Ortenau (mak). Wenn über den Schiedsrichter nach dem Spiel nicht geredet wird, hat er einen guten Job gemacht, heißt es oft. In den vergangenen Wochen waren sie aber in aller Munde, vor allem im Amateurfußball. Das lag aber nicht an schlechten Leistungen der Spielleiter, sondern an den tätlichen Übergriffen auf sie, die eine besondere mediale Aufmerksamkeit nach sich zogen.
Im Saarland und in Berlin haben sie gestreikt, um auf das Phänomen Gewalt gegen Schiedsrichter aufmerksam zu machen. Das Thema beschäftigte auch die Innenministerkonferenz in der vergangenen Woche. Sind die in die Medien gespülten Fälle brutaler Gewalt gegen Schiedsrichter krasse Einzelfälle oder hat die Gewalt insgesamt zugenommen? "Über 99 Prozent aller Spiele im Amateurfußball laufen friedlich und störungsfrei ab", erklärt Peter Cleiß, Vizepräsident des Südbadischen Fußballverbandes, auf Nachfrage. Das geben auch die Statistiken von DFB und Landesverbänden wieder. Insgesamt wurden in der Saison 2017/18 1.543.733 Spiele ausgetragen und davon etwas mehr 1,3 Millionen Spiele über den Online-Spielbericht erfasst.
Vorkommnisse nur in 0,5 Prozent der Spiele
"In der vergangenen Saison wurden laut Lagebild Amateurfußball 0,05 Prozent der Fußballspiele in Deutschland wegen eines Gewaltvorfalls abgebrochen. Bei 0,48 Prozent aller erfassten Spiele (6.291) meldeten die Schiedsrichter eine Störung: bei 0,31 Prozent (3.987) wegen einer Gewalthandlung, bei 0,21 Prozent (2.725) wegen einer Diskriminierung", schreibt Rainer Koch, DFB-Vizepräsident, am vergangenen Donnerstag auf seiner Facebook-Seite.
Zwar sei die Zahl der Sportgerichtsurteile seit vielen Jahren konstant, aber "unserem Empfinden nach haben die wenigen Einzelfälle, in denen etwas passiert, eine andere Qualität, die werden extremer", erklärt Peter Cleiß. Das bestätigt auch Ralf Brombacher, Vorsitzender des Verbandsschiedsrichterausschusses im Südbadischen Fußballverband. "Hinzu kommen die sozialen Medien, durch die in Sekundenschnelle über den ganzen Äther bekannt wird, wenn irgendwo etwas passiert."
Betreuung von Schiedsrichtern
Betroffene Schiedsrichter würden intensiv betreut und geschützt, so Brombacher. Und weiter: "Dies geht von der Unterstützung bei der Abfassung einer Meldung bis hin zur Nachbereitung und Begleitung bei eventuellen Sportgerichtsverfahren." Die Schiedsrichter bekämen aber schon bei der Ausbildung eine entsprechende Handlungsempfehlung, die stets aufgefrischt werde, so Brombacher weiter. Und für ihre Sicherheit vor Ort seien die jeweiligen Heimatvereine verantwortlich. "Zur Unterstützung haben seitens des Verbandes schon Schulungen für Platzordner stattgefunden", erklärt Cleiß. Und tendenziell gebe es die gravierenden Vorfälle eher im Männer- als im Frauenfußball.
Im Handball kein Thema
Wie sieht es in anderen Sportarten aus? "Das Maß an Gewalt wie beim Fußball kennen wir bei uns nicht", erzählt Alexander Klinkner, Präsident des Südbadischen Handballverbandes, auf Nachfrage. Was in seinem Sport vorkomme, seien verbale Ausfälligkeiten oder Beleidigungen, die in der Regel der konkreten Emotion geschuldet seien, aber keine körperlichen Angriffe. Diese Vorfälle seien aber auf einem konstanten Niveau.
Klageweg steht offen
Sanktioniert werden die Täter im Fußball im Rahmen der Sportgerichtsbarkeit. "Darüber hinaus steht jedem Betroffenen der zivil- und strafrechtliche Klageweg offen", sagt Cleiß. "Vielleicht sollten diese noch empfindlicher werden", ergänzt Brombacher. Und weiter: "Es muss darüber hinaus ein Miteinander mit den Vereinen geben. Ich erwarte hier einen 'Schulterschluss' zum Wohle des Fußballs. Der Schiedsrichter gehört dazu wie zwei Tore, ein Ball und die Mannschaften. Er muss geschützt werden, von allen", erläutert Ralf Brombacher abschließend.
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