Interview mit Horst Sahrbacher
Neues Gesetz zur Qualifizierung

Horst Sahrbacher  | Foto: Agentur für Arbeit

Bereits seit einigen Jahren steht in Deutschland eine große Zahl an offenen Arbeitsplätzen einer erheblich geringeren Zahl an verfügbaren Arbeitnehmern gegenüber – in verschiedenen Branchen ist dies besonders deutlich zu spüren. So werden bei Arbeitskräften mit einem höheren Fortbildungs- oder Studienabschluss vor allem Mitarbeiter in den Gesundheits- und "MINT"-Berufen (Mathematik-, Ingenieur-, Naturwissenschaften und Technik) dringend gesucht. Ebenfalls besonders häufig fehlen Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung in den Bereichen Pflege, Handwerk und Technik. Auch im Ortenaukreis ist die Nachfrage nach Arbeitskräften auf einem hohen Niveau. Dies wird aufgrund der demografischen Entwicklung weiterhin hoch bleiben, da in den kommenden Jahren viele Erwerbstätige aus dem Berufsleben ausscheiden werden. Schon deshalb wird die Beratung und Qualifizierung von Beschäftigten erheblich an Bedeutung gewinnen. Gabriele Ritter sprach mit Horst Sahrbacher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Offenburg.

Das neue Qualifizierungschancengesetz bietet erweiterte Möglichkeiten zur Förderung von beschäftigten Arbeitnehmern. Das wären im Einzelnen?
Mit dem zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Qualifizierungschancengesetz sollen insbesondere Beschäftigte in die Förderung einbezogen werden, die berufliche Tätigkeiten ausüben, welche durch Technologien ersetzt werden können oder in sonstiger Weise vom Strukturwandel betroffen sind. Aber auch Beschäftigte, die eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben, wenn nicht genügend Arbeitnehmer zur Besetzung offener Stellen in diesem Beruf zur Verfügung stehen, etwa im Bereich der Alten- und Krankenpflege. Mit dem Qualifizierungschancengesetz wurde die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte unabhängig von Ausbildung, Lebensalter und Betriebsgröße ermöglicht und damit weiter geöffnet. Beschäftigte in Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten werden nun auch in die Weiterbildungsförderung einbezogen. Gefördert werden können sowohl Weiterbildungen für qualifizierte Beschäftigte wie auch die Umschulung von Personen, die bisher keinen Berufsabschluss absolviert haben. Angesichts des höheren Risikos bei Geringqualifizierten, arbeitslos zu werden, bleibt die auf anerkannte Berufsabschlüsse ausgerichtete Weiterbildung besonders im Fokus. Sie unterstützt auch den steigenden Bedarf der Unternehmen an gut ausgebildeten Fachkräften. Weiterbildungen, die zu einem Berufsabschluss führen, wie zum Beispiel Industriemechaniker, Altenpfleger oder auch Fachkraft für Lagerlogistik, können gefördert werden. Auch wichtig ist die berufliche Weiterbildung, weil zum Beispiel Digitalisierung den Trend zu höheren Qualifikationen verstärkt. Hier können Anpassungsqualifizierungen wie zum Beispiel Weiterbildung im Bereich Digitalisierung, Schweißkurse oder auch CAD/CNC-Kurse gefördert werden.
Mit dem Qualifizierungschancengesetz können wir Arbeitgeber noch besser bei der Qualifizierung von Beschäftigten unterstützen. Weiterbildung und lebenslanges Lernen werden immer wichtiger, deshalb ist das ein richtiger Schritt.

Gibt es besondere Förderungen für Frauen oder für ältere Mitarbeiter?
Frauen und Männer erhalten grundsätzlich die gleiche Förderung. Eine Ausnahme bilden ältere und schwerbehinderte Mitarbeiter – in kleinen und mittleren Unternehmen werden die Lehrgangskosten für diese Beschäftigten in vollem Umfang übernommen.

Stichwort Wiedereinstieg: Welche Hilfen, auch finanzieller Art, können Menschen erwarten, die nach längerer Auszeit, etwa wegen Elternzeit oder Krankheit, wieder in den Beruf einsteigen?
Der Arbeitsmarkt verändert sich schnell und mit ihm die Anforderungen an einen Beruf. Die Agentur für Arbeit berät und unterstützt Frauen und Männer bei der Rückkehr in den Beruf, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum der Betreuung ihrer Kinder oder der Pflege eines Familienangehörigen gewidmet haben. Vielfältige Beratungsangebote, auch in Form von Vorträgen oder Kursen, helfen beim beruflichen Wiedereinstieg. Dazu werden von der Arbeitsagentur im Rahmen von "BiZ und Donna" zu unterschiedlichen Themen Veranstaltungen angeboten.Unsere Wiedereinstiegsberaterin der Arbeitsagentur Offenburg berät, wenn Berufsrückkehrerinnen noch nicht wissen, ob sie in den alten Beruf beziehungsweise zum bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren können oder wollen. Dann wird erörtert, ob vielleicht eine Neuorientierung der bessere Weg ist. Oder ob die Kenntnisse und Fähigkeiten noch den aktuellen Anforderungen entsprechen. Gemeinsam mit den Kunden werden Stärken und Kompetenzen erhoben, Qualifizierungsangebote und deren finanzielle Unterstützung besprochen. Aber auch Coaching-Angebote, Bewerbungstraining oder die Möglichkeit zu einer Teilzeit-Ausbildung können Thema sein. Wir unterstützen bei der Suche nach passgenauen Stellenangeboten und Betriebspraktika.

Gibt es in diesem Zusammenhang besondere Unterstützung für Menschen, die längere Zeit arbeitsloslos waren?
Die finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten richten sich nach einem gesetzlichen Rahmen. Die Art der Unterstützung, die Höhe und Dauer wird innerhalb dieses Rahmens je nach Bedarf individuell auf jeden Kunden beziehungsweise den Arbeitsplatz angepasst. So bedarf es zum Beispiel nach einer langjährigen Auszeit unserer Erfahrung nach oftmals einer intensiveren Förderung des Wiedereinstiegs.

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