Katholische Kirche käme ohne verkaufsoffene Sonntage aus
„Fundament, auf dem unsere Kultur steht“

Pfarrer Joachim Giesler

Ortenau. Ob im Frühjahr oder im Herbst – verkaufsoffene Sonntage erfreuen sich überall großer
Beliebtheit. Sind sie doch die beste Gelegenheit, mit der gesamten
Familie durch die Geschäfte zu bummeln und von zahlreichen Aktionen des
Einzelhandels zu profitieren. Drei verkaufsoffene Sonntage sind laut
Gesetz jährlich erlaubt und müssen an Feste, Märkte, Messen oder
ähnliche Veranstaltungen gebunden sein.

Vor wenigen Tagen hat der Acherner Gemeinderat die Termine für die Jahre 2017 bis 2020
festgelegt. Kirchliche Fest- und Feiertage wurden dabei ausgespart, da
sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche Bedenken
geäußert hatten. Aus welchen Gründen, erläutert Pfarrer Joachim Giesler,
katholischer  Pfarrer und Leiter der Seelsorgeeinheit Achern, im
Gespräch mit der Guller-Redaktion.

„Kirchliche Feiertage haben eine eigene Prägung. Diese ist auch mit einer bestimmten Stimmung – je nach Festinhalt – verbunden. Das verträgt sich oft nicht mit dem lauten
Treiben eines verkaufsoffenen Sonntags“, so Giesler. Als Beispiel nennt
er den Palmsonntag. Dieser leitet die Karwoche ein, in der Christen des
Leidenswegs Jesu gedenken. Oder die Feiertage Allerheiligen und
Allerseelen – sie dienen dem Gedenken an die Verstorbenen. „Ich weiß,
dass es immer schwieriger wird, zu verstehen, warum die Gesellschaft
darauf Rücksicht nehmen soll, da lange nicht mehr alle diese Feiertage
begehen. Aber wir geben letztlich damit auch das Fundament auf, auf dem
unsere Kultur über Jahrhunderte gestanden hat“, betont der katholische Pfarrer.

Prinzipiell gelte es aber zu akzeptieren, dass nicht mehr alle die christlichen Werte leben wollten: „Wir können als Kirche der Gesellschaft nicht unsere Rahmenbedingungen ‚aufzwingen‘.“ Aber
neben der religiösen Bedeutung des Sonntags habe der siebte Tag als
Ruhetag in der Woche eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Es sei
wichtig, dass der Mensch Zeiten habe, in denen er nicht arbeiten müsse.
„Und es macht Sinn, dass dieser Tag für alle in der Familie gleich ist“,
so Giesler weiter. Gerade in einer Zeit, in der das Verlangen nach
Erreichbarkeit immer größer werde, halte er es für wichtig, für Frei-,
Ruhe- und Erholungszeiten einzutreten, in der kein Chef erwartet, dass
seine Mitarbeiter E-Mails lesen oder ans Handy gehen.

„Von daher kämen wir als Kirche auch ganz gut ohne verkaufsoffene Sonntage aus.
Mir ist aber auch bewusst, dass wir in Deutschland im internationalen
Vergleich noch einen hohen Standard des Sonntagsschutzes haben. Dafür
bin ich den politisch verantwortlichen Entscheidungsträgern dankbar“,
betont Giesler. Zwar habe es in früheren Zeiten schon Ausnahmen gegeben,
beispielsweise sei es in Dörfern üblich gewesen, dass der Krämerladen
am Sonntag nach dem Gottesdienst geöffnet hatte. „Der Sonntag war der
einzige Tag, an dem die Menschen von den Höfen außerhalb des Dorfes ins
Zentrum kamen. Heute haben wir aber eine Mobilität und
Ladenöffnungszeiten, die ein Einkaufen am Sonntag nicht mehr nötig
machen“, so Joachim Giesler.

Autor: Daniela Santo

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