Fußnote – die Glosse im Guller
Qualen mit den Zahlen

Ehrenwort, es war kein Trick, um sich vor dem Bezahlen zu drücken. Meine spontane Entscheidung, die Restaurantrechnung der gesamten Familie mit allen Anhängen zu übernehmen, war wirklich ernst gemeint. Und dann stand ich neben einer zunehmend misstrauisch blickenden Servicekraft an der Theke und blickte ratlos auf das kleine elektronische Gerät, das da schon zum zweiten Mal behauptete: falsche Pin.

Natürlich hatte ich nicht genug Bargeld dabei. Schließlich kann heutzutage doch überall so bequem mit der Bankkarte bezahlt werden. Einfach nur den Pin eingeben und schon wird der Rechnungsbetrag vom Konto eingezogen. Die Pinnummer muss halt stimmen, was in diesem Fall offensichtlich nicht der Fall war.

Ich kann jede Strophe von "Auf de schwäb'sche Eisebahne" singen, alle deutschen Bundeskanzler seit 1949 sogar mit Vornamen der Reihe nach aufsagen und weiß noch genau, was mein Mann beim ersten Rendezvous anhatte. Aber wenn mich jemand nach meiner Telefonnummer fragt, muss ich dagegen auf meine Visitenkarte schauen. Das ist keine gute Voraussetzung, um sich in einer Welt zurechtzufinden, die nur über mehrstellige Codes Zugang gewährt.

Ich habe Pinnummern für mein persönliches sowie ein gemeinsames Konto, mein I-Phone, eine Kredit- sowie eine Tankkarte. Und das sind nur die, die mir spontan einfallen. Hinzu kommen unzählige Passwörter für den Computer zu Hause, in der Redaktion, Outlook, Facebook und anderes, die kreative Buchstabenfolgen in Groß- und Kleinschreibung mit zufälligen Zahlen ohne Sinn kombinieren. Deshalb sind sie doch auch so schwer zu merken. Trotzdem muss aus Sicherheitsgründen jedes unterschiedlich sein und darf nirgendwo notiert werden. Das Ende vom Lied ist dann, dass ich alles durcheinander werfe und versuche, mit dem Code zum Entsperren meines Handys die Restaurantrechnung zu bezahlen.  

Der Mann, der mit mir Tisch und Bett, aber nicht das schlechte Zahlengedächtnis teilt, war wie so oft in solchen Momenten der Not wie vom Erdboden verschluckt. Aus Angst, die Kellnerin könnte gleich die Polizei rufen, pumpte ich schließlich meine Tochter an. Angeblich soll sie anschließend das Stichwort "Altersvergesslichkeit" gegoogelt haben. Völliger Quatsch, das kann bei mir noch gar nicht zutreffen. Wie alt ich bin? Keine Ahnung, ich kann mir Zahlen so schwer merken.Anne-Marie Glaser

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