Die Glosse im Guller

Begeisterung über neuen Foodtrend Fischkonserven

Auf Tiktok ticken unter Hashtag #tinnedfishdatenight derzeit alle vor Begeisterung über Dosenfisch völlig aus. Gourmetrestaurants kreieren aus Konserven mehrgängige Menüs. Sogar ein von mir sehr geschätztes regionales Magazin mit Sitz in Offenburg feiert den Fischdosen-Foodtrend in der aktuellen Ausgabe. Das ist toll, denn es beweist: Ich bin so was von trendy!
Jahrgangssardinen
Tatsächlich findet sich nämlich in meiner untersten Schreibtischschublade in der Redaktion neben Deoroller und Ersatzstrumpfhosen meist auch eine Fischkonserve. Okay, dabei handelt es sich nicht um Jahrgangssardinen von La Perle des Dieux, sondern nur um Heringsfilet in Tomatensauce von Gut & Günstig. Na und, es gibt auch preisbewusste Fashionistas. In Sachen Kleidung ist das beispielsweise durch Unternehmen wie H&M überhaupt kein Thema. Da hängen die günstigen Kopien schon in den Läden, noch bevor die hochpreisigen Originale der Designer überhaupt geschneidert sind. Nein, auf meine Notfallkonserven im Schreibtisch lasse ich nichts kommen. Wenn der Stresspegel hoch, Null Zeit für eine richtige Mittagspause und der Hunger gigantisch ist, dann gilt ganz klar: lieber der Hering in der Dose als der Grillteller auf der Restaurant-Dachterrasse.
Spießbürgerschmaus
Trotzdem rümpfen manche Kollegen die Nase, wenn sich das appetitliche Bouquet aus Tomate- und Fischaromen aus meinem Büro schleicht. Ihnen sei jetzt zugerufen: Ihr Banausen, das ist der Duft der großen weiten Welt der Trendjäger!
Apropos Trends, in den 60er- und 70er-Jahren waren Fischkonserven ebenfalls schwer angesagt und wurden selbst in den höchsten Kreisen gerne zum Abendbrot verzehrt. Später galten sie dann als Spießbürgerschmaus und nur noch im Vorratsschrank als gesellschaftsfähig. Aber es kommt halt alles wieder. Wer weiß, vielleicht sorgen Tim Mälzer, Tiktok und Co. demnächst für ein Revival der Dosenravioli. Da hätte ich übrigens auch eine Konserve in meiner Notfall-Schublade.