Fußnote – die Glosse im Guller
Alte und neue Modesünden
Meine Mutter sagte mir bereits damals, dass es blöd aussah. Mit der für 13-Jährige typischen pubertären Arroganz gegenüber Erziehungsberechtigten glaubte ich es aber besser zu wissen. Das knallrote Knoten-T-Shirt mit Glitzeraufdruck war schwer angesagt. Stolz ließ ich mich darin fotografieren. Wenn ich mir das Bild heute anschaue, muss ich zugeben: Mama, du hattest recht. In dem T-Shirt hätte Ottfried Fischer problemlos Platz gehabt und der überdimensionale Knoten stand unförmig ab. Zumindest hamonierte es farblich mit meinen vielen Pickeln im Gesicht.
Es gibt zahlreiche alte Bilder von mir in sonderbaren Kleidungsstücken. So sehe ich das zumindest jetzt. Als die Aufnahmen entstanden, war das die aktuelle Mode und ich fand sie schön. Schulterpolster, Bundfaltenhosen, Puffärmel – ich habe nichts ausgelassen. Bis vor einiger Zeit habe ich mich beim Durchblättern alter Fotoalben noch sehr amüsiert, was wir früher für schreckliche Dinge getragen haben. Das Lachen blieb mir aber im Hals stecken, als vergangenes Jahr Heidi Klum mit Schulterpolstern auftrat. In Geschäften werden wieder Bundfaltenhosen angeboten und gerade lese ich in einer Modezeitschrift, dass Puffärmel groß im Kommen sind. Um es mit den Worten des Dichters Erhard Horst Bellermann zu sagen: "Das Neuste vom Neusten ist wieder das Alte."
Nun gibt es Menschen, die sehen immer toll aus, egal was sie anhaben. Heidi Klum ist so jemand. Und es gibt Leute, die sehen im schultergepolsterten Outfit quadratisch praktisch, aber nicht gut aus. Sie haben in Bundfaltenhosen einen Nilpferdpopo und scheitern bei Puffärmeln schon am Bügeln. Nein, ich muss meine Jugendsünden nicht wiederholen.
Damit wir uns richtig verstehen: Mode interessiert mich sehr. Während meiner Zeit bei einer Frauenzeitschrift habe ich sogar einmal das Büro mit einer Moderedakteurin geteilt. Sie riet am Beispiel von mageren Models und Stars, was sich die Leserinnen anziehen sollten; ich bestückte die Foodseite mit leckeren Rezepten. Wir verstanden uns gut und nahmen großen Anteil an der Arbeit der jeweils anderen. Selbstverständlich wurde meine Kollegin mit Kostproben meiner Kochkünste versorgt, umgekehrt gab es modische Ratschläge.
Einmal war sie hellauf begeistert von meiner Kombination einer natogrünen Cargohose mit einem zarten Spitzentop. Um ihre Freude über meine vermeintliche Modekompetenz nicht zu trüben, verschwieg ich, dass ich mich beim Frühstück mit Kaffee bekleckert hatte. Es waren die einzigen sauberen Sachen im Schrank gewesen.
Anne-Marie Glaser
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