Düstere Prognosen zu Infektionen
Lage spitzt sich in vielen Bereichen zu
Ortenau (rek). Nicht nur die Pflegekräfte am Ortenau Klinikum seien erschöpft und müde, auch die impfenden Ärzte und ihre Helfer gingen an ihre Grenzen. Bei einer digitalen Pressekonferenz informierten Dr. Evelyn Bressau, Leiterin des Gesundheitsamts, Dr. Doris Reinhardt, Pandemiebeauftragte für die kassenärztliche Vereinigung im Ortenaukreis, Dr. Peter Kraemer, Intensivmediziner am Ortenau Klinikum, sowie Dr. Diana Kohlmann, Koordinatorin der Mobilen Impfteams, über die aktuelle Corona-Lage.
Düstere Prognose
Vergangene Woche gab es mit über 300 Fällen an einem Tag so viele wie noch nie zuvor, mahnte Bressau und begründete den Strategiewechsel des Landes auch damit: "Wir kommen schlicht und ergreifend nicht mehr hinterher, die Kontakte nachzuverfolgen." Derzeit gebe es 28 sogenannte Ausbrüche mit mehr als fünf Fällen: 15 in Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen, sechs in Kitas und an Schulen sowie sieben bei Unternehmen oder durch private Feiern. "Die Gastronomie ist kein Kernplatz für Ansteckungen", machte Bressaus klar. Die kirchliche Veranstaltung mit vielen Infektionen in der Folge wollte Bressau nicht als Super-Spreader-Event einordnen.
Personell ist das Gesundheitsamt wie bisher aufgestellt. 83 Vollzeitbeschäftigte kümmern sich um die Nachverfolgung bei größeren Ausbrüchen von über fünf Infizierten, um die Registrierung aller gemeldeten Fälle und um sämtliche Aufgaben des Pandemiemanagements. Weitere Mitarbeiter des Landratsamtes sind zudem auf Abruf verfügbar, sie kompensieren auch den Wegfall der Bundeswehrsoldaten
Bressaus Prognose sei eher düster: Die Alarmstufe werde bald erreicht und die Zahl von 400 Fällen pro Tag werde es auch geben. Bressau appellierte, sich Impfen zu lassen und an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Denn anders, als vor einem Jahr der Lockdown verkündet wurde, habe jetzt jeder viel mehr Kontakte, da auch alles geöffnet sei. "Impfen bleibt die Maßnahme Nummer eins, um die Infektionsketten zu durchbrechen", so Bressau.
Arztpraxen sind am Limit
"Wir müssen täglich tief Luft holen und sehen trotzdem kein Land", so Reinhardt zur Situation in den Arztpraxen. Viele Praxen versuchten derzeit zum Teil mit der Hälfte des Personals, die normalen Abläufe aufrecht zu erhalten. Ärzte impften teilweise in den Abendstunden oder am Samstag. „Es ist nicht ein Nicht-Wollen, sondern ein Nicht-mehr-Können“, so Reinhardt zur Lage: "Die Praxen sind am Limit."
Angesichts von geplanten Weihnachtsmärkten und anderen Veranstaltungen plädierte Reinhardt für die Wiedereinführung der kostenlosen Tests. Denn: "Es können sich ja auch Geimpfte infizieren, auch wenn es deutlich mildere Verläufe sind. Aber sie können andere wiederum anstecken." Sie hätte sich gewünscht, "wir stünden jetzt vor dem Winter an einem anderen Punkt. Jetzt ist die Situation traurig".
"Die Situation für Impfangebote ist für alle unbefriedigend", so Kohlmann, die neuerdings fünf Mobile Impfteams (MIT) koordiniert. Davon sind vier neben dem Ortenaukreis auch für die Landkreise Freudenstadt und Emmendingen zuständig.
Dass die Impfbereitschaft wieder wächst, stellte auch sie fest. Für einen MIT-Einsatz von drei Stunden kämen anstatt der erwarteten 80 Personen oft vier- oder fünfmal so viele. Das sorge für stundenlanges Warten.
Zu einer Forderung nach der Wiederöffnung der Impfzentren erklärte Kohlmann: "Wir haben signalisiert, dass mit einem Kraftakt dies nach drei bis vier Tagen möglich ist." Kohlmann erinnerte aber auch daran, dass Ende September unter hohen Kosten und mit viel Aufwand in den Zentren statt der möglichen über 1.000 Personen sich lediglich täglich 400 hätten impfen lassen wollen.
"Pandemie der Nicht-Geimpften"
Als angespannt beschreibt Kraemer die Situation im Ortenau Klinikum, auch wenn die Wucht der Neu-Infektionen nicht das Klinikum erreiche. Das Klinikum habe den Anspruch, alle seine Leistungen aufrechtzuerhalten. Allerdings herrsche in vielen Bereichen des Pflegebereichs "eine komplette Müdigkeit" und es gebe eine geringe Bereitschaft, dass sich Pflegekräfte aus anderen Bereichen auf die Intensivstation versetzen ließen. "Wir müssen unsere Kapazitäten behutsam steuern." "Es ist jetzt eine Pandemie der Nicht-Geimpften", erklärte Kraemer die Situation, dass 90 Prozent der Intensiv-Patienten ohne Impfung seien. Und: "Am Ende des Tages werden wir nicht alle dieser Patienten retten können".
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