Aber welche Regeln gelten bei Versammlungen?
Jeder darf demonstrieren!

"Straßen-Baum-Fest" am 11. Mai in der Offenburger Weingartenstraße | Foto: Archivfoto: Großheim
  • "Straßen-Baum-Fest" am 11. Mai in der Offenburger Weingartenstraße
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Ortenau Es gibt viele Gründe, für die es sich lohnt, einzutreten und auf die Straße zu gehen. In Achern und Kehl werden jährlich fünf bis zehn Demonstrationen abgehalten. In Lahr sind es gar 63 angemeldete Versammlungen. Und wurden in der Freiheitsstadt Offenburg 2015 noch 30 Versammlungen angemeldet, sind es jetzt im jährlichen Schnitt 150. „Die Zahl der Anmeldungen wird stark durch die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen beeinflusst und variiert daher. Mal ist es die Corona-Pandemie, dann die Bauernproteste“, sagt Kai Hockenjos, Pressesprecher des Landratsamts Ortenaukreis, das für die Ortenauer Gemeinden und kleinen Städte zuständig ist, auf Anfrage der Guller-Redaktion. Immer wieder demonstrieren Leute wegen des Klimawandels und gegen rechts. Aber auch regional begrenzte Projekte wie der Radschnellweg von Offenburg nach Straßburg lassen die Menschen auf die Straße gehen.

Grundrecht

„Die Versammlungsfreiheit ist ein zentrales, für die Demokratie schlechthin konstituierendes Grundrecht. Ohne Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit kann es keine Demokratie geben“, erklärte Mathias Hong, Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule Kehl, „das Bundesverfassungsgericht betont das in ständiger Rechtsprechung. Es hat deshalb sogar während der Corona-Pandemie Versammlungen durch stattgebende Eilentscheidungen ermöglicht, unter anderem auch in Stuttgart.“

Friedlich und ohne Waffen

Jeder weiß, dass er in Deutschland demonstrieren darf, das lernt man schon in der Schule. Doch welche Regeln gibt es? Reicht es einfach für oder gegen etwas zu sein und einen Aufruf zum Mitmachen zu starten? Oder gibt es doch rechtliche Hürden, die man einhalten muss? Wie und wo meldet man eigentlich eine Demonstration an? Auf was muss man achten? Ist das Ganze mit Kosten verbunden?
“Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“, heißt es in Artikel 8 des Grundgesetzes. Demonstrieren unterliegt demnach dem Versammlungsrecht und dessen Ausübung ist nicht von einer Erlaubnis oder einem Antrag abhängig. Aber trotzdem können Behörden und Polizei bei Demonstrationen ein Wörtchen mitreden. So muss eine Demonstration von den Veranstaltern spätestens 48 Stunden vor Beginn der Versammlung bei der zuständigen Behörde angemeldet werden. In Baden-Württemberg und somit natürlich auch im Ortenaukreis ist dies das Landratsamt oder das Rathaus der Großen Kreisstädte. „Intern zuständig ist das Ordnungsamt, für die Anmeldung stehen auf der Website der Stadt ausführliche Informationen zur Verfügung“, sagte dazu der Lahrer Pressesprecher Nicolas Scherger. „Das Formular kann verwendet werden. Eine Anmeldung unter Angabe der notwendigen Informationen – Thema, Ort, Datum, Leitungsperson – ist allerdings ebenfalls formlos möglich.“ Das gilt für alle Versammlungsbehörden der Ortenau.

Spontan-Demonstrationen

„Aber trotz geltender Anmeldepflicht reicht allein eine fehlende Anmeldung nicht, um eine Versammlung zu verbieten oder aufzulösen“, so Hong. „Auch müssen Spontan-Demonstrationen, die aus aktuellem Anlass augenblicklich gebildet werden, nicht angemeldet werden.“ Die Versammlungsbehörde prüft dann, ob die geplante Demonstration die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder andere Interessen gravierend beeinträchtigen könnte. Etwa, weil sie den Straßenverkehr stark behindert, Teilnehmer vorher Gewalttaten angekündigt haben oder sie gegen andere Gesetze verstoßen. Dementsprechend darf die Behörde Auflagen – etwa hinsichtlich Dauer oder Strecke – erteilen oder das Stattfinden an Bedingungen knüpfen – wie an das Einhalten des Lärmschutzes oder während der Pandemie definierte Abstandsregeln. Gegen Auflagen und Verbote können die Veranstalter klagen – wie erst jüngst bei der Veranstaltung der Baumschützer in Offenburg. Dann entscheidet ein Richter.

Im äußersten Fall darf die Behörde die Demonstration verbieten. „Aber das Verbot einer Versammlung ist immer das letzte Mittel“, erklärte Annette Lipowsky, Pressesprecherin der Stadt Kehl, „wenn für die Behörden erkennbar ist, dass durch die Versammlung die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet ist, kann sie die Demonstration beschränken oder verbieten. Dafür müssen aber konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Bloße Vermutungen und Befürchtungen reichen nicht aus.“

Versicherungen

Außerdem ist die Versammlungsbehörde zur Kooperation verpflichtet. „Die Veranstalter sind zwar nicht verpflichtet, solche Kooperationsangebote anzunehmen, aber gut beraten, es zu tun“, sagte Hong.

„Offenburg versucht in Kooperationsgesprächen, Versammlungen gemeinsam mit den Antragstellern, der Polizei und den Rettungsdiensten so zu organisieren, dass die Versammlungsziele erreicht werden können und gleichzeitig sicher sind sowie die Auswirkungen auf alle anderen Menschen in Offenburg vertretbar bleiben“, erklärte Christoph Lötsch von der Stadt Offenburg. Versicherungen sind keine notwendig, aber der Versammlungsleiter muss Ordner stellen.

Während der Demonstration ist es Aufgabe der Polizei, die Einhaltung von Vorschriften und Auflagen zu überwachen und durchzusetzen. Dabei müssen sie nicht nur von der Demonstration ausgehende Gefahren abwehren, sondern auch die Demonstranten schützen und die Ausübung der Versammlungsfreiheit gewährleisten, etwa indem sie gegen gewalttätige Gegendemonstrationen vorgeht.

Wenn die Polizei zu der begründeten Einschätzung kommt, dass massiv gegen Auflagen oder andere Gesetze oder Verordnungen verstoßen wird, darf sie die Versammlung ebenfalls auflösen. Dabei hat sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Ablauf planen

Es ist also gar nicht so schwer, eine Demonstration vorzubereiten und durchzuführen, aber schon mit Arbeit verbunden. Neben den rechtlichen Dingen, müssen ja auch noch die Menschen zur Teilnahme aufgerufen werden und der Ablauf genaustens geplant werden.

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