Kehler Student befragt Rathaus-Chefs
Bürgermeister erleben Anfeindungen
Ortenau (rek). Wenn sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eines Themas annimmt, ist es ernst: Er fordert, Kommunalpolitiker zu unterstützen, weil sie vielfach beleidigt, bedroht und angefeindet werden. Die passende Umfrage sagt dazu: Die Hälfte deutscher Bürgermeister hat solche Übergriffe bereits erfahren müssen. Diese Umfrage aus dem vergangenen Jahr war auch Auslöser für die Bachelor-Arbeit des Studenten Niklas Hödle und seines Bachelorbetreuers Prof. Paul Witt und die Frage: "Wie ist die Situation für die Bürgermeister_innen in unserer Region. Steht Südbaden positiver da als der Rest von Deutschland?"
Grundlage für wissenschaftliche Arbeit war ein Online-Fragebogen, den 184 Bürgermeister in den Landkreisen von Rastatt im Norden und Lörrach im Süden erhalten haben. Etwas weniger als die Hälfte der Rathaus-Chefs hat geantwortet – wertet Paul Witt, früherer Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung die Resonanz als gut und als Zeichen hohe Relevanz des Themas.
Und ist die Region am Oberrhein eine Ausnahme in der Frage der negativen Erfahrungen der gewählten obersten Gemeindevertreter? Im Vergleich dazu wurden sogar schon 68 Prozent, als zwei Drittel, der Bürgermeister Opfer von Gewalt und Anfeindungen. Während bundesweit etwa jeder Zehnte sogar körperliche Angriffe erleben musste, sind dies in der Region nur rund fünf Prozent.
Diensträume keine Tabuzone
Gewalt und Hetze finden jedoch nicht nur über die sozialen Medien statt, sondern auch in den Diensträumen, bei öffentlichen Veranstaltungen, bei privaten Tätigkeiten und sogar vor der eigenen Haustür. Dies ist das Ergebnis einer weiteren Umfrage eines weiteren Projekts von Kehler Studenten unter Leitung von Paul Witt. Sie untersuchten die Frage, ob die zunehmende verbale und körperliche Gewalt Grund für das schwindende Interesse an diesem öffentlichen Amt ist. Trotz dieser negativen Erfahrungen sagen fast alle befragten Bürgermeister, dass sie jederzeit wieder für solch ein Amt kandidieren würden.
Vielmehr der Verlust an Privatheit und die geringere Zeit für Familie und Hobbys seien abschreckende Faktoren. Denn bei einem durchschnittlichen Arbeitspensum von 62 Stunden pro Woche bleibt nicht viel Zeit für außerberufliche Tätigkeiten, so die Erklärung der Amtsinhaber. Weitere Gründe für einen möglichen Attraktivitätsverlust an der Amtsausübung ergeben sich laut der Befragung aus dem Verlust von Respekt, Achtung, Wertschätzung und Dankbarkeit. Die Ergebnisse der gesamten Untersuchung werden im Rahmen des Kehler Hochschultags am 5. Mai 2021 um 17 Uhr virtuell vorgestellt.
Imagekampagne
Gegen die latente Gewalt und die abschreckenden Begleiterscheinungen hält Student Hödle eine Art „Imagekampagne“ mit beispielsweise sichtbarer Werbung im Alltag für ein Instrument, den Tendenzen entgegenzuwirken.
"Unsere Gesellschaft muss auf die Verrohung reagieren", forderte der Bundespräsident und hat als ein Zeichen das Onlineportal "Stark im Amt", ein Portal für Kommunalpolitik und gegen Hass und Gewalt freigeschaltet. Die Hochschule Kehl hat diese Notwendigkeit mit regionalen Zahlen nun deutlich bestätigt.
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