Fußnote, die Glosse im Guller
Offenburg und die Wohnlagen

Wie der Mensch sich täuschen kann. Bislang dachte ich immer, ich lebe in einer guten Wohngegend. Okay, sie ist jetzt nicht gerade der Offenburger Hotspot der Reichen und Schönen, obwohl es von ihnen durchaus ein paar im Dorf gibt. Aber die Nachbarn sind sympathisch und hilfsbereit, die Straßen sauber, der Blick ins Grüne unverbaut. Außerdem ist die Kriminalitätsrate absolut niedrig. Vor zwei Jahren habe ich zwar mal beobachtet, wie ein Radfahrer seinen Kaugummi auf den Bürgersteig spuckte. Aber das war sicher ein Auswärtiger und zudem ein Einzelfall. Jedenfalls kann der Mensch bedeutend schlechter wohnen. Das dachte ich zumindest immer. Weit gefehlt, wie die Zoneneinteilung des geplanten Offenburger Mietspiegels zeigt: Ich wohne in der niedrigsten Kategorie, drunter gibt es nichts mehr.

Ungläubiges Staunen

Immerhin befinde ich mich in guter Gesellschaft. Der weitaus größte Teil der Offenburger lebt in einer Zone 1. Die Reblandgemeinden schaffen es weitgehend in die zweite Zone, ebenso ein Stück Oststadt. Letztere kann sich aber auch großer Flächen der Zuordnung Wohnlagezone 3 rühmen und hat sogar ein kleines Eckchen der Kategorie 4. Das ist die absolute Toplage und dazu zählt eigentlich nur ein bisschen Innenstadt. Über die Einteilung der Wohnlagezonen staune übrigens keineswegs nur ich. Auch im Offenburger Gemeinderat sorgte das Ganze wohl für manches ungläubige Kopfschütteln.

Keine Mehrheit im Gemeinderat

Letztendlich kommt es natürlich beim Quadratmeterpreis der Miete nicht nur auf die Lage, sondern auch auf Zustand und Ausstattung einer Wohnung an. Aber irgendwie ist es halt schon sonderbar, wenn besonders begehrte und entsprechend teure Wohngegenden gerade mal der Wohnlagezone 2 zugeordnet sind. Unter anderem fand sich auch deshalb keine Mehrheit für die Einführung des qualifizierten Mietspiegels, der ja bereits am gestrigen Samstag hätte in Kraft treten sollen. Jetzt muss sich im September erst noch einmal der Haupt- und Bauausschuss mit dem Werk auseinandersetzen.

Lokalpatriotischer Stolz

Natürlich verletzt es meinen lokalpatriotischen Stolz, dass mein schöner Ortsteil in puncto Wohnlage derart gering geschätzt wurde. Auf der anderen Seite ist das vielleicht sogar besser so. Am Ende steigen die Mietpreise dort noch mehr. Denn machen wir uns nichts vor: Mietspiegel sollen zwar dafür sorgen, dass Mieten nicht uferlos explodieren. Sie bringen aber halt auch manchen Vermieter darauf, dass er noch mehr verlangen könnte.
Anne-Marie Glaser

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