Angedacht: Gerhard Bernauer
Einladung zum Lüften und Durchatmen

Gerhard Bernauer  | Foto: Foto: Hund

Lüften ist uns in diesen Coronazeiten wieder neu wichtig geworden. Überhaupt war ein erfrischendes Lüftchen in diesen heißen Sommertagen immer willkommen. Was für eine Wohltat, wenn wir nach schwülen Nächten am frühen Morgen erst einmal alle Fenster öffnen. Und überhaupt: An die frische Luft gehen – in unsere umliegenden Wälder allemal – ist heilsam für Leib und Seele. Das gilt auch im übertragenen Sinn.

So hat Papst Johannes XXIII. die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor bald 60 Jahren damit begründet, man müsse die Fenster weit öffnen, damit endlich wieder frische Luft in die Kirche hereinkomme. Dass sich dabei manche im Vatikan und anderswo erkältet haben, nahm er mutig in Kauf.

Bei einem Fachmann für das Alte Testament habe ich einmal gehört, dass der unaussprechliche Name Gottes – JHWH – ursprünglich „er weht“ bedeutet. Gott als belebende Kraft – zart wie das Säuseln des Windes und gewaltig wie ein Sturm. In allen Kulturen und Religionen sind Atem und Luft Hinweise auf das Göttliche. Tief einatmen und gut durchlüften kommt allen zugute: jedem Einzelnen, der Gesellschaft und der Schöpfung insgesamt.

Der Sonntag ist jede Woche neu so eine Einladung zum Durchatmen und Lüften. Unser Grundgesetz unter Artikel 140 schützt ihn ausdrücklich als „Tag der seelischen Erhebung“. Da will sich nicht nur der Brustkorb weiten, da kann auch neue Lebenskraft in die Seele strömen.

Alle religiösen Traditionen kennen dieses achtsame Atmen. Das Christentum hat dazu eine wunderbare Übung entwickelt: das sogenannte Jesus-Gebet. Beim Einatmen nehme ich das eigene und fremde Leid wahr und begleite es mit der Anrufung „Jesus Christus“, beim Ausatmen spreche ich „erbarme dich“: eine ganz einfache Atemübung, die frische Luft zur Verfügung stellt. Regelmäßig geübt kommt sie mir und anderen zugute.

Gerade auch in Zeiten, wo fast überall „dicke Luft“ herrscht.
Gerhard Bernauer, Pfarrer i. R., Offenburg

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