Fußnote, die Glosse im Guller
Ein Sachse und die Fastnacht
Sicher kennt jeder den Welthit "Englishman in New York" des britischen Musikers Sting. Darin beschreibt der Künstler sehr eindringlich, wie fremd er sich in der ostamerikanischen Metropole fühlt, eben wie ein "Alien", ein Außerirdischer.
erste Erfahrung mit der Fastnacht
Lange fand ich diesen Song nur lustig. Mit meinem Zuzug in den Südwesten Deutschlands und meine damit verbundene erste Erfahrung mit der Fastnacht kann ich das Lied des Musikers mehr als nachvollziehen.
Ein Beispiel: Fast jeden Samstag tingle ich nach dem Aufstehen um 12 Uhr zur Bäckerei meines Vertrauens. Wenn ich die Verkäuferin mit einem netten "Guten Morgen" begrüße, steht ihr die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Beim vergangenen Mal war ich jedoch derjenige, der erstaunt dreinblickte.
unheimliche Begegnung
Als ich am Tresen stand, ging hinter mir die Ladentür auf. Wie gewohnt schellte es von der Türklingel. Danach schellte es nochmal und nochmal und nochmal. Verdutzt drehte ich mich um. Ich schaute einmal, ich schaute zweimal einigermaßen überrascht: Da stand ein Mann oder eine Frau, ich bin mir nicht sicher, in einem Kostüm an dem mehrere Glöckchen hingen.
Bei jeder Bewegung fingen sie an zu läuten. Ihr oder sein Gesicht zierte eine Holzmaske mit einem fröhlich lächelndem Gesichtsausdruck. Ob er oder sie auch so vergnügt unter der Maske dreinschaute – ich werde es nie erfahren. Diese Begegnung war schon unheimlich.
Begriffe der Fastnacht
Der eingefleischte Fastnacht-Kenner merkt spätestens jetzt sofort: Der Schreiber hat keine Ahnung. Ja, die habe ich wahrlich nicht: Ich komme aus Sachsen. Auf das ich jetzt von allen Narren gesteinigt werde: Meine fünfte Jahreszeit heißt Fasching, mein Narrenruf ist "Helau" und bei uns gibt es auch keine Zünfte, sondern Vereine.
Daher sind mir die Begriffe wie Häs oder Larve auch nicht geläufig. Da hätte ich mal eine gute Idee: Zu meiner Unizeit bekam jeder Erstsemester eine Broschüre in die Hand, in der die wichtigsten Anlaufstellen für den angehenden Akademiker standen. Das gleiche Utensil über die närrische Zeit wäre doch eine gute Idee für jeden frisch Zugezogenen. Dann wäre mein Erfahrungsschatz auch reicher und ich würde mich beim Bäcker nicht vor Menschen in Kostü... – ähm, Häs – erschrecken.
Eine Gemeinsamkeit ist Spaß
Was mir vorher auch gar nicht bewusst war: Mit welcher Intensität die Fastnacht betrieben wird. Von einer Arbeitskollegin meiner Freundin weiß ich: Sie ist für die Zeit der Fastnacht quasi Strohwitwe – ihr Mann ist in einer Zunft und im Februar nie daheim. Brauchtum ist wohl kein Ponyhof.
Eine Gemeinsamkeit zwischen Fasching und Fastnacht habe ich dennoch schnell ausgemacht: Vergangenes Wochenende ging ich zusammen mit meiner Freundin nach einem Kinobesuch durch die Offenburger Innenstadt. Es war kurz nach 22 Uhr. Die Menschen in ihren Häs tanzten, tranken, lachten. Am Ende geht es überall um eine Sache: um Spaß.
Sebastian Thomas
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