Traumberufe
Zipflo Reinhardt ist Jazzmusiker aus Leidenschaft

Zipflo Reinhardt spielt mit unterschiedlichen Bands zusammen.
2Bilder
  • Zipflo Reinhardt spielt mit unterschiedlichen Bands zusammen.
  • hochgeladen von Christina Großheim

Offenburg (gro). Wenn sie ihren Beruf nennen, bekommen andere leuchtende Augen. Schon kleine Kinder erklären, später einmal genau in einem solchen Job arbeiten zu wollen. Doch sind diese Traumberufe tatsächlich nur mit Freude verbunden oder gibt es auch Schattenseiten? In unserer Serie haben wir diejenigen gefragt, die es wissen müssen. Christina Großheim besuchte Zipflo Reinhardt. Der Geiger ist im Musikgeschäft seinen ganz eigenen Weg gegangen.

"Sex, Drugs and Rock'n'Roll" – diese Vorstellung haben viele, wenn sie an das aufregende Leben eines Musikers denken. Zipflo Reinhardt lacht laut, wenn er davon hört. Er findet sein Leben lange nicht so glamourös, wie es sich mancher vielleicht vorstellen mag. Denn auch wenn er, im Gegensatz zu vielen anderen, keine Probleme hatte, seinen Traumberuf zu ergreifen, ohne Konflikte war sein Weg im Musikgeschäft nicht.

"Ich stamme aus der Familie des berühmten Jazzgitarristen Django Reinhardt", erzählt Zipflo Reinhardt. Der Name der Familie steht für einen ganz bestimmten Sound: "Wenn die Leute meinen Namen hören, dann erwarten sie ,Zigeuner-Jazz' wie ihn Django gemacht hat. Natürlich war es auch in meiner Familie klar, dass derjenige, der Musiker wird, diese Tradition fortführt." So schien sein Weg festzustehen. Doch der junge Zipflo hatte seine ganz eigenen Vorstellungen davon, wie er sich musikalisch ausdrücken wollte. Sein Instrument ist die Geige, die er erst autodidaktisch, später mittels einer Ausbildung erlernte. Zeitgleich lernte er außerdem noch Gitarre. Doch mit dem klassischen "Zigeuner-Jazz" hatte der junge Zipflo Reinhardt Ende der 1960er-Jahre nichts am Hut. "Ich hatte in Offenburg eine Rockband gehört und spielte mit denen", erinnert er sich.

Der Ausflug in die Welt des Rocks währte nur kurz. Er wandte sich seiner eigentlichen Liebe, dem Jazz, zu und entwickelte seinen ganz eigenen Stil. Denn er verband in seinen Stücken Elemente des Jazz und der Rockmusik. Seiner elektronisch verstärkten Geige entlockte er Töne, die es so noch nicht gegeben hatte. Seine Vorbilder waren John Coltrane, Herbie Hancock, Chick Corea, aber auch der Jazz-Geiger Jean-Luc Ponty. Der in den 70er-Jahren entstandene Fusion-Jazz ist seine Leidenschaft.

Sein Problem: Aufgrund seines Namens wurde er in eine Klangschublade gesteckt, in die er nicht gehörte. "Wenn ich auf die Bühne kam, gab es erst Applaus, dann waren die Leute völlig schockiert", erinnert er sich. "Nach zwei bis drei Minuten war der Saal halb leer, weil sie meine Musik nicht hören wollten, sondern nur die von Django Reinhardt." Noch immer blitzt ein wenig der Ärger über die Reaktionen des Publikums auf, gleichzeitig amüsiert er sich darüber – so wie er es wohl auch als junger Mann getan hatte. "Je intoleranter das Publikum reagierte, desto rebellischer wurde ich", erklärt er. Drei Platten nahm er in dieser Zeit auf, die von der Kritik hoch gelobt wurden. "Ich glaube, die ein oder andere schockiert heute noch die Zuhörer", erinnert er sich an seine wilden Zeiten zurück. "Auch wenn ich mir damals nichts anmerken ließ, innerlich hat es schon an mir gefressen."

Auf wenig Gegenliebe stieß er mit seinen musikalischen Ambitionen ebenfalls in seiner Familie. "Was ich machte, war für viele ein Kulturbruch", stellt er fest. Sein Wunsch nach etwas anderem als der Tradition, konnten viele nicht nachvollziehen.

Diese Konflikte führten dazu, dass er sich Anfang der 1980er-Jahre aus dem Musikgeschäft zurückzog. "Ich hatte den Spaß an der Musik verloren", so Zipflo Reinhardt. Die Zeit nutzte er, um an sich und seiner Geigentechnik zu arbeiten. Und er fand einen neuen Zugang zu seiner Leidenschaft. "Ich habe mich gefragt, inwieweit ich eine Musik machen kann, in der die Tradition fortlebt, sie aber nicht altmodisch oder verstaubt klingt." Dennoch sagt er rückblickend: "Es war anstrengend, aber auch eine gute Zeit."

Heute ist er bekannt für seine rockige Art, "Zigeunerjazz" zu spielen. Er wird in der Szene als virtuoser Geiger geschätzt. Seine Musik klingt sanfter, melancholischer und runder als in seinen Anfangsjahren. Mit seinem Publikum, mit seiner Familie und deren musikalischen Erbe hat er sich ausgesöhnt. 2001 gewann er mit seiner weiterentwickelten Musik den Jazzpreis des Freiburger Zeltmusik-Festivals.

Ist Musiker ein Traumberuf? "Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal machen würde", gibt Zipflo Reinhardt ehrlich zu, um gleich im nächsten Satz deutlich zu machen, dass er sich keine andere Karriere hätte vorstellen können. Noch immer steht er auf der Bühne und produziert CDs. "Es gibt heute viel mehr Möglichkeiten als früher, seine Musik bekannt zu machen", stellt er fest. "Aber ich vermisse gute Auftrittsmöglichkeiten für Jazzmusiker in der Region."

Zipflo Reinhardt spielt mit unterschiedlichen Bands zusammen.
Zipflo Reinhardt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.