50 Jahre Rattenfalle der Hexen
Ein Hoch auf den VW Bulli mit Käfig
Offenburg (st). Die "Rattefall" der Offenburger Hexenzunft feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Der VW-Bulli, der auf seiner Ladefläche den Hexenkäfig mit sich führt, ist weithin bekannt. Bereits seitMitte der 1950er-Jahre führt die Offenburger Hexenzunft ihre Rattenfalle mit sich mit. Sie ist im Umzug das weithin sichtbare Erkennungszeichen der Zunft. Anfangs standen der Zunft zum Transport ihres Holzkäfigs die unterschiedlichsten Lieferfahrzeuge zur Verfügung. Doch dann kam das Auto, das auch heute noch auf der Straße mit dabei ist. Im Fahrzeugbrief steht als Erstzulassung das Jahr 1971. Seither verrichtet der rote, mit weißen Tupfen versehene VW-Bulli seinen Dienst.
Auf der Ladefläche thront der große, hölzerne Käfig, den bereits unzählige jungeFrauen und Mädchen von innen gesehen haben. Oben an jeder der vier Ecken des Käfigs ragt ein bunt geschmückter Reisigbesen empor. Zu Beginn noch in trister Farbe gehalten, bekam der Bulli in den 1980er Jahren die liebevolle Lackierung in den Zunftfarben. In weißer Farbe ziert der Schriftzug „Offenburger Hexenzunft“ sowohl die Front- als auch die jeweiligen Ladeflächenseiten.
Treuer Wegbegleiter auf den Narrentreffen
Als treuer Wegbegleiter war er bei sämtlichen auswärts besuchten Narrentreffen mit vonder Partie. Oben auf der Rattenfalle steht während der Umzüge grundsätzlich immer eine Hexe. Ihre Aufgabe ist es, nicht nur durch die Käfigreihen jungen Frauen die Haare zu zerzausen, sondern auch die eingesperrten „Opfer“ mitsamt dem Käfig durchzuschütteln. Dies geschieht durch ein permanentes Hin- und Herschaukeln des Käfigs, so dass die Stoßdämpfer des Bullis stets aufs Äußerste gefordert sind.
Auf diese Art wurde jede Umzugstrecke für den Bulli unwillkürlich zur Teststrecke, die erjedoch immer wieder aufs Neue mit Bravour bestand. Aber was wäre der Bulli ohne seine jeweiligen Fahrer. Um die Rattenfalle sicher durch die Umzugsstrecke zu chauffieren, bedarf es einer Menge an Behutsamkeit und Feingefühl, aber auch Zuverlässigkeit. Die jeweiligen Fahrer müssen stets sehr langsam, vorausschauend und mit Bedacht den VW-Bulli fahren. Alkohol ist stets tabu. Auch muss sich die oben auf dem Käfig stehende Hexe blind auf den Fahrer verlassen können, denn nicht selten führt ein Umzugsweg durch ein Stadttor, dessen lichte Höhe ab und an mal für alle Beteiligten zum Wagnis wurde.
So kam es durchaus auch schon einmal vor, dass die Kupplung während des Umzugs zurauchen anfing, da der Fahrer aufgrund des permanent langsamen Fahrens die Kupplung stets im Schleifmodus laufen lassen musste. In Erinnerung bleibt der beim Narrentreffen 1997 in Schramberg vereiste Kopfsteinpflasterstreckenabschnitt innerhalb der Umzugsstrecke. Hier hatte auf der bergaufwärts liegenden Strecke der 34 PS-Motor des Bullis mächtig zu kämpfen, um die Rattenfalle weiterhin langsam und sicher an ihr Ziel zu bringen.
Zu Gast bei der Oldtimer-Rallye
Seit Mitte der 1990er-Jahre ist es aus Gründen der Unfallverhütung Vorschrift geworden,dass an allen Radkästen des Fahrzeuges eine Hexe zum Schutz von herannahenden Zuschauern, insbesondere Kindern, mitläuft. Außerhalb der Fasent hatte unser VW Bulli einen Premierenauftritt bei der im Juni 2014 stattgefundenen „Paul-Pietsch-Classic“–Oldtimer-Rallye. So machte er zwischen legendären Oldtimern wie Porsche oder Mercedes auf seiner Tour durch den Kaiserstuhl, das Kinzigtal, über Baden-Baden hinauf auf die Schwarzwaldhochstraße und dann zurück nach Offenburg keine schlechte Figur.
Wie sich die Zeiten ändern, zeigt folgende kuriose Anekdote: Die Hexenzunft musste fürdie Teilnahme ihres betagten Bullis am großen Narrentreffen der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte in Bad Cannstatt im vergangenen Jahr extra eine Feinstaubplakette organisieren. Ansonsten wäre aufgrund der Verordnung der Stadt Stuttgart eine Teilnahme der Rattenfalle nicht möglich gewesen.
Aktuell wird der Bulli von Grund auf generalüberholt, so dass er der Hexenzunft auch inden kommenden 50 Jahren seinen Dienst erweisen kann. "Wünschen wir ihm stets stabile Stoßdämpfer und unseren Fahrern allzeit gute Fahrt! Ein besonderer Dank gilt den Freunden und Gönnern die uns hier unterstützt haben und auch den Fahrern", so die Verantwortlichen der Hexenzunft.
Miniatur-Rattenfalle in limitierter Auflage
Das Kultauto wird 2021 zum Sammlerstück: Eine kleine Gruppe aktiver Mitglieder hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Miniatur des Traditionsfahrzeuges der Offenburg Hexenzunft nachzubauen. Unzählige Bastel- und Handwerksstunden ließen am Ende zwanzig Miniaturausgaben im Maßstab 1:24 entstehen. Auf über hundert Jahre alten Eichenbrettern, steht nun die kleine Ausgabe des Volkswagen T-Modells. Ein Gravurschild erinnert an an das fünfzigjährige Bestehen und an die Erstzulassung 1971. Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an die Schöpfer der „Miniatur-Rattefall“ Linda Lehmann, Tobias Hauser, Bernd Konprecht sen. und Hannes Erl.
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