Alternative: „Eiserne Hand“ des Götz von Berlichingen nachgebaut
500 Jahre alte Technik hat noch nicht ausgedient
Offenburg (st). Forscher der Hochschule Offenburg haben die „Eiserne Hand“ des Götz von Berlichingen nachgebaut. Und festgestellt, dass die 500 Jahre alte Technik dabei keinesfalls zum alten Eisen gehört: Das Innenleben der „Eisernen Hand“ war ausgefeilter, als bisher angenommen. Die Hand des Götz könnte sogar spannende Impulse für die Entwicklung neuer künstlicher Handprothesen liefern.
Die beiden eisernen Kunsthände des fränkischen Reichsritters Götz von Berlichingen (1480-1562) sind die wohl bekanntesten Beispiele historischer Handprothesen. Das Forscherteam um Professor Andreas Otte von der Hochschule Offenburg hat die erste und ältere "Eiserne Hand" des Götz von Berlichingen nun erstmalig mit Hilfe von dreidimensionalem Computer-Aided-Design rekonstruiert. "Obwohl die erste 'eiserne Hand' fast genauso bekannt ist wie die jüngere zweite Hand, wurde deren Funktion nie systematisch überprüft", sagt Otte.
Der mit Hilfe eines 3-D-Multimaterial-Druckers gefertigte Nachbau aus Kunststoff wiegt 175 Gramm und ist ein echtes Leichtgewicht im Vergleich zu dem eisernen Original aus dem 16. Jahrhundert, das 600 Gramm auf die Waage bringt. Am meisten überraschte das Forscherteam, dass die Prothese bei vielen Aufgaben des täglichen Lebens eine erstaunliche mechanische Hilfe darstellte. "Frühere Untersuchungen gingen davon aus, dass die ältere Götzhand im Alltag wenig brauchbar gewesen sei", sagt Otte: "Wir konnten nun beweisen, dass die Hand absolut funktional ist. Sie können damit schreiben und gut Gegenstände wie etwa ein Smartphone oder Weinglas halten."
Im Inneren der Originalhand verbirgt sich ein für die damalige Zeit ausgeklügelter, komplexer Mechanismus mit Blattfedern und Sperrklinken, der aber einfach zu bedienen war: Ein künstlicher Daumen und jeweils zwei benachbarte Finger lassen sich in ihren Grundgelenken bewegen und arretieren. Da es sich bei der "Eisernen Hand" um eine passive Prothese handelt, ist immer auch eine gesunde Hand nötig, um diese zu bedienen.
Natürlich sei der aktuelle Entwicklungsstand in der Medizintechnik mit ihren modernen Prothesen weit entfernt von einfachen analogen Modellen wie der Götzhand aus der frühen Neuzeit. "Aber intelligente sensomotorische High-End-Neuroprothesen kosten sehr viel Geld und sind für viele Menschen etwa in armen Ländern unerschwinglich", sagt Otte. "Auf Basis unseres Modells könnte eine analoge Low-Tech-Prothese hergestellt werden, die zu niedrigen Kosten ganz einfach und überall auf der Welt ausgedruckt werden und das tägliche Leben durchaus verbessern kann." Die Götz-Prothese, so Otte, zeige, dass der Blick in die Historik durchaus lohne.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.