Ortenaukreis unterstützt Kinder mit Beeinträchtigung
40 Jahre frühe Hilfen
Offenburg (nb). Stolz blickt Georg Benz, Sozialdezernent des Landratsamts im Ortenaukreis, auf 40 Jahre Frühförderung zurück. Tatsächlich gibt es die Frühförderstelle im Ortenaukreis seit 1978. Sie ist seit Beginn eine wichtige Anlaufstelle für Eltern, von Kindern mit Beeinträchtigungen, aufgrund derer die gleichberechtigte Teilhabe eingeschränkt ist, oder denen eine Einschränkung droht. Doch wie genau arbeitet diese Anlaufstelle?
Klara Schlotthauer ist heute eineinhalb Jahre alt und wurde mit dem Down-Syndrom geboren. Seit der Geburt waren ihre Eltern mit ihr regelmäßig in der Frühförderung und haben das Angebot von Beratung, Physiotherapie und Ergotherapie plus einer speziell auf die Schluckbehinderung des Mädchens abgestimmten Logopädie genutzt. Diese Art von Angebot wird „Komplexleistung“ genannt, berichtet Anita Göppert, Leiterin der Frühförderstelle: „Es handelt sich um ein bedarfsgerechtes Angebot, das seit 2014 besteht und verschiedene Therapien an einem Ort kombiniert.“ Wechselnde Therapieorte, lange Transportwege und Wartezeiten bleiben den Kindern so erspart.
Ganzheitlich und familienorientiert
„Wir arbeiten ganzheitlich, familienorientiert und vor allem niederschwellig“ erklärt Paula Münnig, Leiterin des Therapeutikums. Familien erhalten unbürokratisch und schnell einen Termin für ein Erstgespräch, in der Regel finden sie den Weg in die Frühförderstelle über eine Empfehlung der Kinderärzte, Kliniken oder Kitas, einige Eltern kommen auch auf eigenen Wunsch. „Die darauf folgende interdisziplinäre Arbeit setzt sich aus den vier Säulen Beratung, Diagnose, Therapie und Förderung zusammen, beruht aber komplett auf Freiwilligkeit“, so Münnig.
Ben Kälble kam als Frühchen in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt. Die Familie wurde von der Frühförderstelle sofort aufgefangen und begleitet. Entgegen aller Prognosen kann der heute Zweijährige bereits drei Schritte laufen und ganz normal sitzen. Familie Kälble fühlt sich sehr gut aufgehoben und freut sich über die Vernetzung der betroffenen Eltern untereinander. So entstand bereits eine Krabbelgruppe, eine Inklusionsgruppe ist im Aufbau.
1.000 Kinder pro Jahr
Rund 1.000 Kinder sind jedes Jahr im Kontakt mit der Frühförderung. Ein Schwerpunkt liegt auf der präventiven Arbeit. Ein Kind ohne sichtbare Behinderung entwickelt sich vielleicht trotzdem nicht altersgemäß, hat Defizite in der Mobilitäts- oder Sprachentwicklung, wird dann nach dem Erstkontakt vom heilpädagogischen Team aufgefangen und optimal gefördert. So kann ein Großteil der betroffenen Kinder später ein weitgehend eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen.
„In den vergangenen Jahren nimmt die Komplexität der Behinderungen zu“, so Anita Göppert. Seit dem Ausbau des Betreuungsangebotes für Kinder ab einem Jahr kommen tatsächlich vermehrt jüngere Kinder in die Frühförderstelle.
Sprachauffälligkeiten oder Autismus verzeichneten eine deutliche Zunahme in den vergangenen zehn Jahren. Auch der stetige gesellschaftliche Wandel wie Migration oder die Veränderung der klassischen Familienkonstellation stellt immer neue Herausforderungen an das therapeutische Team. „Das individuelle Anpassen der Rahmenbedingungen erfordert Zeit und Geduld, und genau das macht unsere Arbeit aus“, so Anita Göppert.
Getragen wird die Arbeit in der Frühförderstelle vom Verein „Frühberatung im Ortenaukreis e. V.“ und von der Reha-Südwest Südbaden GmbH. Mitgliedsbeiträge und die jährlich vom Ortenaukreis bereitgestellte Summe von 224.000 Euro ermöglichen das vielfältige Angebot zur gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern aus dem Ortenaukreis, spezielle Hilfs- und Therapiegeräte können trotzdem nur über Spenden angeschafft werden.
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