"Baal novo" kreativ durch die Krise
"Freuen uns, wieder richtig Theater machen zu können"
Offenburg (rek). "Es passierte wie eine Naturkatastrophe in Zeitlupe", erinnert sich Guido Schumacher, geschäftsführender Leiter des "Theaters Eurodistrikt BAden ALsace" ("Baal novo") an den 10. März. "Wir wollten vor 500 Kindern im südpfälzischen Germersheim spielen und hatten am Tag zuvor die Bühne sowie die komplette Technik aufgebaut", schildert der künstlerische Leiter Edzard Schoppmann die Situation, als die politische Entscheidung vor Ort fiel: Alle Veranstaltungen wurden abgesagt.
Erst einmal hat zumindest ein Teil des Ensembles weitergeprobt. Schließlich war für den 11. April die Premiere von "Die Tanzstunde" geplant. Das funktionierte auch unter den aktuellen Abstandsverordnungen, die auch auf der Bühne gelten, weil die Darsteller des Zwei-Personen-Stücks Yaroslava Gorobey und Benjamin Wendel auch privat ein Paar sind. Statt eine Bühnenpremiere wurden Clips dazu auf Youtube und anderen "Baal-novo"-Kanälen veröffentlicht.
So entwickelt Schoppmann eine weitere Idee: "Wir liefern nicht Pizza nach Hause, sondern machen einen Kultur-Bring-Service." Geschichten aus Boccaccios "Decamerone" über die Ausbreitung der Pest, für Kinder und Familien Ringelnatz-Gedichte und szenische Lesungen von „Max und Moritz“ gehören zum Programm. So gab es tolle Reaktionen, Erlebnisse und Gespräche auf den Bühnen, die aus Hinterhöfen und Gärten bestanden. Dann kamen noch die Auftritte von Benjamin Wendel mit "Macho-Man" im Offenburger Autokino hinzu. "Statt Applaus erntete Wendel ein Hupkonzert samt Fernlicht", erzählt Schoppmann lächelnd: "Wir brauchen die Kommunikation mit dem Publikum."
"Wir müssen auch in diesem Etat-Tal unsere Einnahmen einspielen", berichtet Schoppmann, der zugleich Sprecher der 30 privaten Theater Baden-Württembergs ist, dass es ohne Kurzarbeit nicht zu bewältigen ist. "Ein Hilfsfond hat uns geholfen, aber ohne einen radikalen Sparkurs geht es nicht." Zumal auch in absehbarer Zukunft nur vor einer geringen Zahl an Zuschauern gespielt werden darf.
Den Neuanfang plant "Baal novo" zusammen mit der Stadt Offenburg als Open Air vor der Reithalle. Premiere von "Der Boss" ist am 27. Juni um 20 Uhr. Es folgen vorerst fünf weitere Aufführungen vor bis zu 50 Zuschauern bis zum 1. August. "Wir fahren derzeit auf Sicht", erläutert Guido Schumann das weitere Vorgehen: "Unser Vorteil ist, dass wir ohne hin jetzt die Open-Air-Saison geplant hatten." Ob Veranstaltungen etwa in Ettenheim, Ohlsbach oder auf Burg Neuwindeck in Lauf stattfinden werden, ist noch offen. Wenn im Herbst die Rückkehr an die neue Spielstätte im Europäischen Forum am Rhein geplant ist, werden aus den 150 Sitzplätzen bei heutigen Vorgaben noch ganze 35.
Aber vielleicht ist das Ensemble von "Baal novo" dann gekürt mit dem Monica-Bleibtreu-Preis, der renommiertesten Auszeichnung für private Theater. Mit dem Drama "Emmas Glück" gehört das Regionaltheater zu den Nominierten. "Es ist ein Stück mit viel Musik und Nähe auf der Bühne", fragt sich Schoppmann, wie es weiter geht. Einig sind sich Schumann und Schoppmann in der Vorfreude", wieder richtig Theater machen zu können.
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