Sonntagsporträt
Die Lahrerin Diedra Fettel wurde als Dieter geboren

- Diedra Fettel wurde als Dieter geboren. Fast ihr ganzes Leben lang hat sie ihr wahres Innere vor anderen versteckt. Das ist jetzt vorbei. Ihr wurde bewusst: "Entweder komme ich aus mir raus oder ich gehe an mir ein."
- Foto: Michael Bode
- hochgeladen von Anne-Marie Glaser
Lahr (ag) Alle waren sich einig: Es war ein wirklich niedlicher Schnappschuss, den die Mutter von ihrem damals neunjährigen Sohn und seiner jüngeren Schwester gemacht hat. Die beiden hatten ihre Sachen getauscht. Dieter Fettel trug das Kleidchen seiner Schwester, sie seine Hosen und Shirt. Was damals niemand ahnte: Für den Bub war das ein Schlüsselerlebnis. "Ich fühlte mich in den Mädchenkleidern unendlich wohl", verrät er heute. Inzwischen ist der kleine Junge von damals eine erwachsene Frau. Seit November heißt sie Diedra.
Hormonbehandlung und Stimmbildung
Ein Jahr Hormonbehandlung liegt hinter der 65-Jährigen. "Das ist wie eine zweite Pubertät", sagt Diedra Fettel lachend. Im zweiten Schritt geht es jetzt unter anderem mit dem Laser den Barthaaren an die Wurzel und es wird mit einer Logopädin an der Stimmbildung gearbeitet. Am Ende der medizinisch begleiteten Transition steht dann die geschlechtsangleichende OP.
Seit Januar 2024 ist die gebürtige Lahrerin im Coming-out und überrascht damit viele. Der Dieter Fettel, den sie bislang kannten, war ein gestandener Mann, der nach der Mittleren Reife zwölf Jahre als Zeitsoldat in der Bundeswehr diente. Kaum einer ahnte, dass der Vater von zwei inzwischen erwachsenen Kindern, der seit 44 Jahren glücklich verheiratet ist, in Wahrheit im Wesen eine Frau war. Das war ein Geheimnis, das Diedra Fettel sorgfältig vor allen Menschen verbarg.
"Als ich erkannte, dass ich mich als Junge unwohl fühle und ein Mädchen sein will, traute ich mich nicht, mit jemandem darüber zu sprechen", so die Sachbearbeiterin, die in der Schweiz im Amt für Militär und Bevölkerungsschutz arbeitet. In den 60er-Jahren galten transsexuelle Menschen für die meisten als Perverse, in jedem Fall als psychisch krank: "Ich habe mich geschämt, schuldig gefühlt und wollte unter keinen Umständen, dass irgendjemand etwas merkt."
In der Pubertät stellte der Teenager dann fest, dass er sich trotz seiner Weiblichkeit nur zu Mädchen, aber auf keinen Fall zu Jungs hingezogen fühlt. Dieser Widerspruch verwirrte noch mehr. Das war auch die Zeit, in der Dieter Fettel verhaltensauffällig wurde. Es wurde von den Erwachsenen auf die Flegeljahre geschoben, für alle die einfachste Erklärung.
Für die Verpflichtung bei der Bundeswehr gab es zwei Gründe: "Ich verdiente während der Ausbildung gutes Geld und kam von zu Hause weg." Wäre er bei München oder Nürnberg stationiert worden, hätte sein Plan aufgehen können. Dann hätte er abends unerkannt als Frau in die Disco gehen können. Es war aber der Bayerische Wald. Trotzdem war das ein Glück. Denn der Soldat lernte dort Ehefrau Conny kennen, mit der er später nach Lahr zurückkehrte.
"Ich kann mein Glück nicht fassen"
Auch ihr konnte er sich nicht öffnen. Das geschah erst, als es ihn nach verschiedenen Stationen beruflich in die Schweiz verschlug und die beiden eine Wochenend-Ehe führten. Auslöser war der Einbruch in seine Schweizer Wohnung. Der Vorfall setzte Fettel extrem zu. Eine Psychiaterin half ihm, das Ganze zu verarbeiten und mehr: "Sie hat mich sprachfähig gemacht."
Die Reaktion von Ehefrau Conny, als er ihr endlich sein großes Geheimnis offenbaren konnte, zaubert Diedra Fettel immer noch ein Lächeln ins Gesicht. Sie sagte: "Das wusste ich von Anfang an. Ich liebe dich nicht trotzdem, sondern gerade deswegen." Die beiden verreisen weiter zusammen mit dem Wohnmobil oder schauen sich an ihren gemeinsamen Wochenenden gemütlich Filme an. "Ich kann mein Glück nicht fassen", freut sich Diedra Fettel und fühlt sich unendlich befreit.
Lieblingsreiseziele
- Holland
- Kanada
- Bayrischer Wald
Lieblingsfilme
- "Unter der Sonne der Toskana"
- "French Kiss"
- "Dirty Dancing"


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