Altern von Holztürmen
Weißtannenturm soll regelmäßig geprüft werden

Der Weißtannenturm ist für sein Alter gut in Schuss. | Foto: Stadt Kehl
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Kehl (st). Seit 18 Jahren erhebt sich der Weißtannenturm am Altrhein – „für sein Alter steht er noch gut da“, findet Michael Heitzmann, Leiter des städtischen Gebäudemanagements, anerkennende Worte für den 70 Tonnen schweren Aussichtsturm. Johann Haker vom Freiburger Ingenieurbüro Wirth/Haker stimmt ihm zu, während er Risse in den drei tragenden Weißtannenstämmen in Augenschein nimmt, denen der Turm seinen Namen verdankt.

Keine vorgeschriebene Prüfroutine für Türme

Während es für Brücken eine vorgeschriebene Prüfroutine gibt, existiert etwas Vergleichbares für Türme nicht. Das Risiko, dass jemand durch den Turm zu Schaden kommen könnte, will der Bauingenieur nicht eingehen und hat daher das Ingenieurbüro beauftragt, ein Prüfbuch für den 44 Meter hohen Riesen zu erstellen. Darin sollen Kriterien und Vorgehensweisen für eine regelmäßige Untersuchung des Turms festgelegt werden.

Erste Sanierungsarbeiten für 15.500 Euro haben 2014 stattgefunden: Damals wurden Risse im Bereich der Bolzen und der Befestigungen in den drei großen Weißtannenstämmen mit einem Spezialharz verfüllt. Inzwischen haben sich diese aber nach oben fortgesetzt und auf die Breite eines Zehncentstücks geöffnet, so dass Johann Haker seinen Zeigefinger ein Stück weit hineinschieben kann.

Während Michael Heitzmann den Ingenieur auf Spalten neben den die Stämme verbindenden Stahlteilen aufmerksam macht, kommen Erzieherinnen an, die mit Kita-Kindern auf den Turm steigen. Auch mehrere Jogger sind an dem kühlen Oktobermorgen unterwegs und binden die 210 Treppenstufen bis zur oberen Plattform in ihr Trainingsprogramm mit ein. Nicht nur bei Touristen, auch bei Kehler erfreut sich der Turm großer Beliebtheit.

Aktuell stellen die Risse in den druckimprägnierten Stämmen kein akutes Problem dar, sind sich Michael Heitzmann und Johann Haker einig. Das aber kann sich rasch ändern: In solchen Spalten können sich Pilze oder Parasiten einnisten und dafür sorgen, dass das Holz von innen heraus morsch wird. Auch für solche Fälle soll das Prüfbuch vorgeben, was zu tun ist. Beim Blick auf die Unterseiten der Treppenstufen fallen Michael Heitzmann immer wieder welche auf, die durchfeuchtet sind und mittelfristig ausgetauscht werden müssen. Der Leiter des Gebäudemanagements macht Johann Haker auch auf den Weißtannenstamm aufmerksam, der nach dem Brand 2008 eine Art Stahlprothese bekommen hat. Die wurde jedoch mit Holz verschalt, so dass sie nur bei genauem Hinschauen auffällt.

Frische Spuren von Zündeleien

Auf der obersten Plattform sind wieder frische Spuren von gefährlichen Zündeleien zu sehen. Michael Heitzmann bückt sich, um die verkohlte Stelle zu inspizieren. „Nicht so schlimm“, befindet er. Das betroffene Brett kann relativ einfach ausgetauscht werden. Während er sich wieder aufrichtet, bewegt sich der Weißtannenturm merklich im leichten Wind. Dieses Mitschwingen ist beim Weißtannenturm ausgeprägt, weiß Johann Haker. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Sicherheitsproblem – ganz im Gegenteil: Die Beweglichkeit ist ein Zeichen der Stabilität.

Auf dem Weg nach unten erklärt Ingenieur Haker, dass Holzturmkonstruktionen in unvorhersehbarer Weise altern. Dies zeige beispielsweise der ebenfalls von Wirth/Haker umgesetzte Eichbergturm, nördlich von Emmendingen. Erbaut 2005, wurden 2014 aufgrund von Pilzbefall umfangreiche Sanierungsmaßnahmen nötig. Und auch das Holz des Freiburger Schlossbergturms war vor einigen Jahren durch Parasiten- und Pilzbefall derart angegriffen, dass die Holzelemente komplett durch eine Stahllösung ersetzt werden mussten. Damit das Gebäudemanagement immer um den Zustand des Weißtannenturms weiß, wurde das Ingenieurbüro Wirth/Haker nun damit beauftragt, ein Prüfbuch zu erstellen.

Während Brücken nach DIN-Vorschriften geprüft und mit Zustandsnoten bewertet werden, gibt es für Türme keinerlei Vorgaben. „Die Stadt haftet für den Turm, also ist sie auch dafür zuständig, die Sicherheit des Bauwerks zu gewährleisten“, erklärt Michael Heitzmann. Thorsten Luick, Mitarbeiter im städtischen Gebäudemanagement, fügt hinzu: „Bloß, weil es keine gesetzliche Prüfpflicht gibt, heißt das nicht, dass Prüfungen nicht sinnvoll und wichtig sind.“

„Wir würden die turnusmäßigen Wartungen des Weißtannenturms gerne im nächsten Jahr starten“, gibt Michael Heitzmann Johann Haker mit auf den Weg. Jedes Jahr soll ein Holzfachmann aus einem Zimmereibetrieb den Turm begehen. Im Dreijahresrhythmus könnten Erst- und Hauptprüfungen ausgeführt werden. Bei den Hauptprüfungen soll aus einem Steiger heraus jedes tragende Bauteil von Hand genau überprüft werden. Damit sich der Blick auf Schwarzwald und Vogesen noch viele Jahre vom Weißtannenturm aus genießen lässt.

Hintergrund

44 Meter hoch und 70 Tonnen schwer ragt der Weißtannenturm seit September 2003 am südlichen Altrhein auf und bietet eine beeindruckende Aussicht in alle Himmelsrichtungen. Geplant wurde von er von der Werkgruppe Lahr. Die statischen Berechnungen stammen von Peter Lenz aus Emmendingen und Andreas Wirth aus Freiburg. Grundpfeiler des Turms sind drei Stämme aus dem Nordracher Forst, die von der Landesforstverwaltung und dem Weißtannen-Forum gestiftet wurden. Gemeinsam bilden sie ein gleichschenkliges Dreieck, das mit einem filigranen Stahlnetz stabilisiert wird. Eine Gruppe aus schlanken Stämmen zwischen den drei tragenden Stämmen symbolisiert einen Waldausschnitt.

Zwei Aussichtsplattformen befinden sich in 30 und 35 Metern Höhe, die man über eine Treppe erreichen kann. Jede Ihrer 210 Stufen wurde auf Initiative der Weißtannenturm Stiftung von Spendern finanziert. Für 200 Euro konnte jeder, der den Bau des Weißtannenturms unterstützen wollte, Pate einer der Blockstufen werden. Eine kleine Namenstafel, welche direkt an dem jeweiligen Treppenteil angebracht wurde, erinnert an die einzelnen Spender. Die Gesamtkosten des Baus betrugen 300 000 Euro und wurden mit 130 000 Euro vom Ortenaukreis sowie mit 85 000 Euro von der Landesgartenschau Kehl 2004 GmbH übernommen. Zudem finanzierten die an der Planung und am Bau beteiligten Unternehmen den Weißtannenturm mit, indem sie teilweise ihre Leistungen und ihr Material unentgeltlich zur Verfügung stellten. Zugänglich wurde der Weißtannenturm mit der Eröffnung der Landesgartenschau im April 2004.

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