OB Vetrano im Straßburger Gemeinderat
Anteil der Region an offener Grenze
Kehl (st). Die Zusammenarbeit zwischen Straßburg und Kehl lässt sich nicht aufhalten - weder durch Corona, noch durch die dreimonatige Grenzschließung im Frühjahr. „Das ist eine gute Botschaft, die uns hoffnungsvoll stimmen darf“, erklärte Oberbürgermeister Toni Vetrano am Montagnachmittag bei seinem Besuch im Straßburger Gemeinderat.
Die schmerzhaften Ereignisse aus dem Frühjahr seien Ansporn, noch enger zu kooperieren, den gemeinsamen Lebensraum noch enger zu verflechten und vor allem: „noch mehr miteinander zu sprechen“, sagte Toni Vetrano. Für seine komplett in französischer Sprache gehaltene Rede erhielt er Beifall von den Räten, die zur Hälfte im Sitzungssaal anwesend waren und zur Hälfte die Sitzung an Bildschirmen aus der Ferne verfolgten. Gerade in einer schwierigen Zeit wie dieser sei es ein wichtiges Zeichen, dass er der Einladung in den Straßburger Rat gefolgt sei, hieß es auch aus den Reihen der Opposition.
Zusammenarbeit auf gutem Weg
Was die Zusammenarbeit und die rheinübergreifende Kommunikation angehe, sei man auf einem guten Weg, glaubt der Kehler Oberbürgermeister: Jeanne Barseghian sei gerade mal drei Wochen im Amt gewesen, als sie ihn zum ersten Arbeitsgespräch eingeladen habe, wenige Wochen später habe er sich mit der neuen Präsidentin der Eurométropole de Strasbourg, Pia Imbs, getroffen. Kurz darauf sei man – zusammen mit Vizepräsidentin Danielle Dambach – wegen des Projekts zur grenzüberschreitenden Nutzung der Abwärme der Badischen Stahlwerke zusammengekommen. „Je mehr wir miteinander sprechen, je mehr wir lernen, auch die Dinge zu auszusprechen, die für uns aufgrund unserer Sozialisation und unserer eingeübten kulturellen Denkmustern in unserem eigenen System völlig selbstverständlich sind, desto besser werden wir uns verstehen“, gab sich Toni Vetrano überzeugt.
Anteil der Region an offener Grenze
Sehr froh zeigte sich der Kehler Oberbürgermeister darüber, dass die Grenze beim zweiten Lockdown offen geblieben ist – für ihn keine Selbstverständlichkeit: „Und denken Sie nicht, dass es nicht auch bei der zweiten Welle wieder den Reflex gegeben hat, die Grenze zu schließen. Dass es dieses Mal nicht geschehen ist, daran – da bin ich mir ganz sicher – haben auch wir Anteil.“ Offenbar sei es doch gelungen, gemeinsam zu vermitteln, „dass unser rheinübergreifender Lebensraum von solch engen Verflechtungen geprägt ist, dass er nur als Einheit funktioniert“, sagte er – und erntete Bestätigung bei Jeanne Barseghian.
Während Toni Vetrano erneut erklärte, dass es für ihn unfassbar gewesen sei, dass während der ersten Corona-Welle französischsprechende Menschen in Kehl angepöbelt oder beschimpft wurden, bedankte sich Alain Fontanel, früher Erster Beigeordneter in der Stadtregierung von Roland Ries und heute Führer einer Oppositionsgruppe, dafür, dass Deutschland schwerkranke Corona-Patienten aus Straßburg und dem Elsass aufgenommen „und Leben gerettet“ habe. Dafür seien die Straßburger sehr dankbar. Er rief dazu auf, dass die beiden Städte Herausforderungen wie den Kampf gegen den Klimawandel und den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Krise gemeinsam angingen.
Jean-Philippe Vetter, Vorsitzender der konservativen Oppositionsgruppe, forderte Toni Vetrano auf, gemeinsam mit Straßburg für den Sitz des EU-Parlaments zu kämpfen, indem er deutsche EU-Abgeordnete davon überzeuge, dass das Parlament genau hier, „über dem Rhein“ am besten aufgehoben sei.
Für die Sozialisten beschrieb Céline Geismann, wie sie mit einer Grenze aufgewachsen sei, „die keine mehr war“, wie sie unzählige Male auf der anderen Rheinseite gewesen sei und sie das Erlebnis dieses gemeinsamen Lebensraums zur „militanten Europäerin“ gemacht habe, die von einem föderalen Europa träume. Straßburg und Kehl trügen auch eine gemeinsame Verantwortung „für eine Energiewende, die niemanden außen vor lasse“, sagte sie und wünschte sich, dass Kehl sich an der Straßburger Klimaagentur beteiligt. „Europa ist, was wir daraus machen“, zitierte sie Robert Schuman in deutscher Sprache.
Toni Vetrano schloss seinen Besuch im Straßburger Gemeinderat mit einem Zitat von Jean Monet aus dem Jahr 1953: „Wir bringen nicht Staaten zusammen, wir bringen Menschen zusammen.“ Und genau das wolle auch er weiterhin tun, versicherte er.
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