„Gott wird ganz leise Mensch“ – das Weihnachtsfest im Stall

Ein Blick in Siegmund Schillingers Weihnachtskrippe. | Foto: Stenzel
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  • Ein Blick in Siegmund Schillingers Weihnachtskrippe.
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Ortenau. Weihnachten und Stallgeruch gehören irgendwie zusammen – sei es in Form von lebendigen Krippen mit Eseln und Ochsen oder als selbstgebastelte Weihnachtskrippe
unterm Christbaum. Aber nicht nur Heimwerker und Hirten interessieren
sich für das „Krippele“, wie man in der Ortenau sagt, in Willstätt
feiert man heute Abend sogar unter dem Motto „Weihnachten im Stall“
einen Gottesdienst zwischen Bulldog und Egge. Doch woher kommt die
Tradition der Krippendarstellung?

„Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den
Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe,
weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ In der Bibel kennt nur
der Evangelist Lukas eine Krippe im Stall. Schon in den ersten
Jahrhunderten nach Christi Geburt pilgerten die frühen Christen zum
Geburtsort Bethlehem. Sinnlich erfahrbar machte aber erst der Heilige
Franziskus das Weihnachtgeschehen im Jahr 1223 in Greccio. Statt einer
langen Predigt brachte Franz von Assisi die Weihnachtsbotschaft mit
lebendigen Tieren und Menschen den Gläubigen nahe.

Die Landschaftskrippe von Siegmund Schillinger aus Ottenheim nimmt das halbe
Wohnzimmer ein. Seit 14 Jahren bastelt er an der Herberge mit
angegliedertem Stall. Steine vom nahegelegenen Rheinufer formen die
Mauern, und Baumwurzeln, die vom Hochwasser angeschwemmt wurden, bilden
das Gebirge ringsum die Krippenszenerie. 40 handgeschnitzte Figuren
tummeln sich um den Stall. „Ich bin aber noch nicht fertig“, sagt
Schillinger. Ein Wasserlauf und die schwangere Maria samt Josef und Esel
auf dem Weg nach Bethlehem möchte er noch in den kommenden Jahren in
Szene setzen. Die Herberge hat der selbständige Bodenleger mit 
Dielenboden im Untergeschoss und Parkett in der oberen Etage
ausgestattet. „Ich schau‘ nicht so gern fern, da bastele ich lieber an der Krippe.“

In Willstätt bei der Familie Franz in der Siedlung Bruch 3 – „Beim Edeka Richtung Kieswerk“, gibt Kopp einen Orientierungstipp – feiert heute Abend um 24 Uhr auch Pfarrer Rüdiger
Kopp mit den Gläubigen „Weihnachten im Stall“. „Die Idee, Weihnachten im
Stall zu feiern, entstand mit Jugendlichen“, sagt Kopp. „Es geht um den
Zauber dieser Heiligen Nacht – und da braucht es ganz wenig: die
Heilige Nacht, die Weihnachtsgeschichte, einen Stall und Stille Nacht.“

Allzu romantisch darf man sich die Szenerie aber nicht vorstellen: „So wie
damals gibt es dort keine bequemen Bänke mit Heizung, sondern einen
staubiger Stall mit Durchzug.“ Warme Kleidung ist also angeraten. In der
katholischen Seelsorgeeinheit im Hanauerland gibt es 18 vergleichbare
evangelische Kirchengemeinden, da sei es geradezu natürlich, dass man zu
dieser Feier beide Konfessionen und alle Menschen „guten Willens“ einlädt.

„Weihnachten im Stall“ findet nun zum vierten Mal statt – jedes Jahr in einem anderen Stall im Hanauerland. „Wir wollen den Ort regelmäßig wechseln, damit wir auf der Suche bleiben, so wie auch die Hirten dem Stern gefolgt sind und den Ort gesucht haben. Meistens wird
Gott ganz leise Mensch...“, erklärt Kopp.

Eine Herbergsuche ähnlicher Art beschäftigt zurzeit die meisten Ortenauer Kommunen, wenn
sie für über 200 Flüchtlinge eine menschenwürdige Wohnung finden müssen.
Vielleicht gibt es in heutiger Zeit Alternativen zum Stall.
„Weihnachten kam nicht mit lautem Knall, sondern ganz einfach im Stall,
im Alltag, im Unscheinbaren. Und damit ist bis heute klar, wo Gott zu
suchen und zu finden ist“, sagt Kopp. Vielleicht ist er aus Syrien oder Lampedusa...

Autor: Matthias Stenzel

Ein Blick in Siegmund Schillingers Weihnachtskrippe. | Foto: Stenzel
Die Krippe samt Herberge kann man auch von innen bewundern. | Foto: Stenzel

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