Die Glosse im Guller

Zehn Minuten unterm Heizpilz

Von wegen alles fließt. In Bezug auf Erdgas in der Pipeline Nord Stream 1 gilt das im Augenblick nicht. Die Rohrleitung wird gewartet. Vielleicht nicht gerade das Rohr selbst, sondern es sind Turbinen, Ventile oder Aus- und Einschaltknöpfe. Ich kenne mich nicht aus. Aber was immer die Leute da vor Ort auch genau treiben, sie tun es jedenfalls regelmäßig – einmal jährlich und zwar immer genau im Sommer. Am 21. Juli wollen sie fertig sein und dann sollte alles wieder fließen. Oder auch nicht, wie viele befürchten.

Gentechnisch unveränderte Energie

Eigentlich wollen wir das russische Gas ja gar nicht. Viel lieber würde der kritische deutsche Verbraucher sein Wohnzimmer mit fair produzierter, garantiert gentechnisch unveränderter und veganer erneuerbarer Energie heizen, die bis zu ihrem Verbrauch ohne Einsatz von Pestiziden in großzügig bemessenen Behältern glücklich ihrer Bestimmung entgegensieht. Das Ganze bitte zu Discounterpreisen, wobei zehn Prozent vom Erlös in eine Baumpflanzaktion im Regenwald fließt. Leider kann das Lächeln des Dalai Lama kein Wasser erwärmen.

Was macht einen Bösewicht aus?

Wenn denn schon Gas zum Einsatz kommt, soll sich wenigstens kein Bösewicht dadurch bereichern. Was man darunter versteht, ist jedoch nicht klar definiert. Ob eine Person als Bösewicht oder Freund und lupenreiner Demokrat angesehen wird, hängt wohl auch davon ab, wen genau dieser aktuell unterdrückt oder angreift. Seit dem Überfall auf die Ukraine hat Putin jedenfalls selbst unter SPD-Mitgliedern eher ein negatives Image. Bei mir war er schon unten durch, als er Angela Merkel mit seinem Hund Angst einjagte. Mit dem selben selbstgefälligen Lächeln lässt er nun ganz Deutschland vor Angst zittern. Denn leider brauchen wir sein blödes Gas.

Tolle Tipps von Klaus Müller

Fieberhaft wird nun überlegt, wie die Energiekrise verhindert oder zumindest abgemildert werden kann. Dabei gibt es auch tolle Tipps wie von Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller. Er rät Verbrauchern, sie sollen Geld zurücklegen, damit sie teure Gasrechnungen bezahlen können. Ich sehe schon den nächsten Lockdown auf uns zukommen. Schulen schließen nicht wegen Corona, sondern weil Gas für die Heizung fehlt. Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter ins Homeoffice, um Heizkosten zu sparen. Und findige Testzentren-Betreiber rüsten um in Wärmestuben. Denn der Gesundheitsminister spendiert den Bürgern Gutscheine für zehn Minuten unterm Heizpilz. Ach nein, die werden ja auch mit Gas betrieben!
Anne-Marie Glaser