Nachgefragt bei Georg Schilli
Wir wollen Tierleid vermeiden

Georg Schilli, Kitzrettung Ortenau | Foto: privat
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Welche Bedeutung die Kitzrettung hat, erklärt Georg Schilli, Initiator der Kitzrettung Ortenau. 

Warum ist die Kitzrettung wichtig?
Über allem steht: Tierleid vermeiden. Wer die landwirtschaftlichen Flächen nutzt, ob Landwirt, Winzer oder Jäger, musste schon seit jeher mit der Gefahr umgehen, dass bei der frühsommerlichen Mahd oder dem Mulchen der Rebterrassen Tiere verletzt oder getötet werden. Mähwerke werden breiter, Traktoren stärker und schneller, die Flächen werden früher und öfter gemäht, nicht nur Heu, sondern auch Grünroggen für Silo und Biogasanlagen - eine Katastrophe für die Wildtiere, die genau auf diesen Flächen ihre Kinderstube haben.

Rehe legen ihren Nachwuchs gerne in Wiesen ab, weil es dort maximale Deckung gibt. Fressfeinde wie der Fuchs haben weniger Chance, ein Rehkitz zu finden. Die Geiß kommt alle paar Stunden zum Säugen, in der übrigen Zeit bleibt das Kitz alleine und hat die ersten drei Wochen bei Herannahen einer Gefahr den Duckreflex: ruhig bleiben, sich nicht bewegen, sich ganz nahe an den Boden drücken. Diese bewährte Strategie hilft aber nicht gegen Kreiselmähwerke.

Bisher wurde zu Fuß abgelaufen, mit und ohne Hunde, die Wiesen akustisch und optisch vergrämt, mit geringem Erfolg. Mit Drohnen und Wärmebildoptik zu bezahlbaren Preisen können wir erstmals mit bis zu hundertprozentigem Erfolg Kitze und anderes Jungwild finden und für die unmittelbar darauf angesetzte Mahd aus der Gefahrenzone bringen und sichern. Das ist der Stand der Technik auf beiden Seiten, und wir nutzen ihn.

In 2023 wurden in der Ortenau von über 20 Teams an die 1.000 Kitze vor dem Mähtod gerettet, dazu viele andere junge Wildtiere und Gelege von Bodenbrütern. Jeder Einsatz ist aufregend und zutiefst erfüllend. Wir sind für die Schwächsten in diesem System unterwegs! Sie werden übrigens auch vom Tier- und Naturschutzrecht geschützt, das seit 2002 mit Verfassungsrang im Grundgesetz steht. Niemand darf ohne vernünftigen Grund Tieren Schaden zufügen. Verstöße werden im Strafrecht hart geahndet, hohe Geldstrafen sind regelmäßig die Folge für den Verursacher, ob Landwirt, Winzer oder privater Garten- und Streuobstwiesennutzer. Da sie überwiegend keine Technik dafür haben, helfen ihnen die Initiativen, vor allem die Jägervereinigungen mit ihren Drohnenteams aus diesem Dilemma. Für die Jäger ist dies ganz klar Teil ihres gesetzlichen Hegeauftrags - unabhängig davon auch einfach Teil unseres Selbstverständnisses als Anwalt des Wilds, Leiden zu vermeiden. 

Retten Sie neben Rehkitzen auch andere Wildtiere?
Wir entdecken mit den Wärmebildkameras der Drohnen aus 50 Meter Höhe alle warmblütigen Bewohner der Wiesen: Rehkitze, erwachsene Rehe, Wildschweine, Füchse, Feldhasen, Bodenbrüter wie Stockenten und Fasane, Kiebitze und Brachvögel und auch die Wiesenweihe auf ihren Nestern und ihr Gelege oder die geschlüpften Jungtiere. Gelege von Arten, die dem Jagdrecht unterliegen, dürfen wir entnehmen, sie werden sonst sowieso Opfer der Mähmaschine oder von Fuchs, Storch und Co. Wir haben Stationen mit Brutkästen und Auswilderungsvolieren. Kleine Feldhasen und alles, was sich fangen lässt, stecken wir für die Dauer der Mahd in passende Behälter und lassen sie danach wieder in der Nähe frei, damit die Alttiere sie finden.

Wo sind Sie in der Ortenau überall unterwegs?
Die Kitzrettung Ortenau e. V. besteht aus den vier Jägervereinigungen. Diese bestehen seit 50 Jahren und länger in den sogenannten Altkreisen, aus denen die Ortenau 1973 entstand. Ihre 20 Drohnenteams sind in der ganzen Ortenau von Rust bis Achern und von Kehl bis Hausach aktiv und zwar dezentral, da wir möglichst wenig Zeit auf der Straße, sondern möglichst viel auf den Flächen verbringen wollen. Denn wir sind auf die frühen Morgenstunden angewiesen, wo die warmen Wildkörper in den nachtkühlen Wiesen wegen des Kontrastes am besten zu erkennen sind. Zusammen mit anderen Vereinen und Teams von einzelnen Jagdpächtern sind 2024 in der ganzen Ortenau 25 Drohnenteams zur Jungwildrettung aktiv, Tendenz steigend.

Sehr hilfreich ist unsere selbst entwickelte EDV-Unterstützung mit eigener Homepage mit interaktiver Wiesenanmeldung für Landwirte und andere Landnutzer und umfangreichem Informationsmaterial. Mit den Landwirten planen wir den Aufbau eines Netzwerks von Leihstationen für effektive optoakustische Vergrämungsapparate, damit Reh- und anderes Jungwild in der Nacht vor der Mahd schon gar nicht in die Flächen einwechselt oder diese verlässt.

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