Die Glosse im Guller
Wir leben in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft
Haben Sie schon mal eine Bundestagssitzung verfolgt? Also nicht im Fernsehen, sondern live vor Ort in Berlin. Das darf jeder und ist hochinteressant.
Bevor die Besucher in die heiligen Hallen gelangen, müssen sie durch einen Sicherheitscheck. Im Grunde läuft der genauso ab, wie auf dem Flughafen. Alles wird durchleuchtet und mitgebrachte Wasserflaschen müssen ausgetrunken beziehungsweise sonst wohin entleert werden. Das ist ein bisschen ärgerlich, wenn man sich in Unwissenheit zuvor ein mit 3,50 Euro völlig überteuertes Mineralwasserfläschchen gekauft und im Augenblick gar keinen Durst hat.
Misstrauische Preußen
Aber in Preußen ist man halt misstrauisch. Schließlich könnte die so unternehmungslustig blickende Frau aus der Revolutionsstadt Offenburg mit als Wasser getarnter Flüssigkeit ruck, zuck einen Molotowcocktail basteln. Anschließend werden die durchleuchteten Taschen und Mäntel an einer Garderobe abgelegt und die Besucher darüber aufgeklärt, was sie auf der Zuschauertribüne alles zu unterlassen haben: sich unterhalten, das Handy auf irgendeine Art nutzen, klatschen, höhnisch lachen, laut dazwischenrufen. Also alles, was die Parlamentarier unten im Plenarsaal ständig tun.
Mit den Augen rollen verboten
Zugegeben, während der Stunde auf der Besuchertribüne hätte ich zumindest gerne mal mit den Augen gerollt. Aber auch das hatte die gestrenge Dame bei der Einweisung verboten und mit der wollte ich es mir keinesfalls verderben. Sie erinnerte mich nämlich an meine Kindergartentante Fräulein Huber. Diese verdonnerte mich als Vierjährige dazu, eine gefühlte Ewigkeit in der Ecke zu stehen, weil ich während der Märchenstunde meiner Freundin Gabi zweimal was zuflüsterte.
Eins ist mir jedenfalls jetzt klar. In Deutschland gibt es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die breite Masse darf im Bundestag nur stumm staunen, während es der Polit-Elite dort erlaubt ist, zu krakeelen und auf dem I-Phone rumzudaddeln.
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