Anke Precht
Über die Schwierigkeit, verbindliche Beziehungen zu finden
Ortenau Sommer, Sonne, gute Laune – alle zieht es nach draußen. In der Ortenau ist viel los, heute Stadtfest in Oppenau, in Halbmeil Sommerfest. Da muss doch niemand einsam und alleine im stillen Kämmerlein sitzen. Richtig, Einsamkeit und Alleinsein sind aber zwei unterschiedliche Dinge. "Alleinsein ist eine Tatsache: Man ist irgendwo und da ist sonst niemand. Einsamkeit ist ein Gefühl – das Gegenteil von menschlicher Nähe. Man fühlt sich nicht verbunden. Das ist ein sehr schmerzhaftes Gefühl", so die Definition der Offenburger Psychologin und Buchautorin Anke Precht.
Stresshormon Cortisol
Lebe ein Mensch in einer einsamen Hütte auf der Alm, fühle sich aber der Welt und anderen Menschen verbunden, dann leide er nicht unter Einsamkeit. "Andere, die täglich Menschen treffen und vielleicht sogar Partner und Kinder haben, können sich sehr wohl einsam fühlen", weiß die Psychologin. Auf die Frage, ab wann dies schädlich wird, betont sie: "Einsamkeit ist immer schädlich für Menschen." Dieses Gefühl führe zur Ausschüttung von Cortisol, einem Stresshormon, das zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen könne. "Sich um Nähe zu anderen Menschen zu kümmern, im Außen wie auch im Innen, lohnt sich also immer!", betont Anke Precht.
Laut einer Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums fühlen sich 11,3 Prozent der Menschen in Deutschland durch Einsamkeit belastet. Die größte Gruppe darunter ist mit 14,1 Prozent die der 18- bis 29-Jährigen. "Junge Menschen verlassen den Schoß der Familie", erklärt Precht. "Gerade diejenigen, die dort viel Geborgenheit erfahren haben, finden sich in der ersten eigenen Bude nicht immer gut zurecht. Es fehlt die Präsenz von Menschen, die Nähe vermitteln." Beispielsweise die Leute in der WG seien zwar nett, aber eben nicht so nah. Das Gefühl von Geborgenheit herzustellen, ohne dass jemand da ist, der es auslöst, das sei eine Aufgabe, die zum Erwachsenwerden dazugehöre und meist nicht schlagartig gelinge.
Das rät die Psychologin
Was rät die Psychologin Menschen, die der Einsamkeit entfliehen wollen? "Das Zugehen auf andere ist durch das Internet einfacher geworden. Gleichzeitig wird es schwieriger, wirklich verbindliche Beziehungen zu finden, und zwar sowohl was Freundschaften als auch Liebesbeziehungen angeht. Man möchte Nähe, aber keine Verpflichtungen", sagt Precht. Bevor man sich auf die Reise zu menschlicher Nähe macht, brauche es also eine Entscheidung: Die Bereitschaft sich einzulassen, mit dem Risiko verletzt zu werden – und der Gefahr, andere zu verletzen, auch wenn man es gar nicht will.
Ins kalte Wasser springen
"Dabei macht es meiner Erfahrung nach keinen großen Unterschied, ob jemand extro- oder introvertiert ist. Kontakte knüpfen fällt manchen Menschen sehr leicht. Das heißt aber noch lange nicht, dass man sich ganz öffnet und wirklich zeigt, also auch die verletzlichen Seiten", erklärt Anke Precht. "Das fordert von jedem Menschen Mut." Sie könne nur empfehlen, ins kalte Wasser zu springen: "Es lohnt sich und es ist ein tiefes menschliches Bedürfnis.
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