Kritik von Mietern und Vermietern
Streit um CO2-Preis-Stufenmodell
Ortenau (gro/mak). Seit 2021 ist das Erzeugen von Kohlendioxid-Emissionen nicht mehr kostenfrei für Verbraucher. Pro Tonne CO2, welche beim Verbrennen von Heiz- oder Kraftstoffen ausgestoßen wird, werden 30 Euro fällig. Diese Kosten sind im Verkaufspreis enthalten, sie werden bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne steigen. Durch die Verteuerung der fossilen Brennstoffe soll der Umstieg auf andere Heizarten oder Antriebe forciert werden.
Ziel: Anreiz für energetische Sanierungen
Wo liegt das Problem des CO2-Preises im Bereich der Gebäude?
Da die Vermieter die Zusatzkosten, die für das CO2 entstehen, komplett auf die Mieter umlegen können, fehlt für sie der Anreiz energetische Sanierungen in ihren Gebäuden voranzutreiben. Um dieses Dilemma zu lösen, wurde nun ein Stufenmodell von der Bundesregierung entwickelt, das auch die Vermieter in die Pflicht nimmt. Es soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Wie funktioniert das Stufenmodell?
Die Kosten für die Kohlendioxid-Emissionen eines vermieteten Gebäudes sollen zwischen Vermietern und Mietern aufgeteilt werden. Je schlechter die Energiebilanz des jeweiligen Gebäudes ist, desto höher ist der zu tragende Kostenanteil für Vermieter. Laut Bundesregierung wird die prozentuale Kostenbeteiligung der Vermieter und Mieter an den jährlichen CO2-Ausstoß des vermieteten Gebäudes pro Quadratmeter geknüpft. Udo Casper, Landesgeschäftsführer des Deutschen Mieterbundes Baden-Württemberg e. V., sieht in dem Stufenmodell eine Lenkungsfunktion. "Sie soll zur energetischen Sanierung von Wohngebäuden anregen. Mieter haben jedoch keinen Einfluss auf Sanierungsentscheidungen. Deshalb muss die CO2-Abgabe allein von Vermietern getragen werden."
Wie viele Stufen gibt es?
Es wurden zehn Stufen festgelegt: Bei Wohnungen mit besonders schlechter Energiebilanz – bei einem CO2-Ausstoß von mehr als 52 Kilogramm pro Quadratmeter und Jahr – übernehmen Vermieter 90 Prozent und die Mieter zehn Prozent der Kosten. Je effizienter der Standard, desto höher der Anteil der Mieter. Ab dem Standard Effizienzhaus 55 müssen Vermieter keine Kohlendioxidkosten mehr tragen. Die Festlegung der von den Parteien zu tragenden CO2-Kosten erfolgt über die Heizkostenabrechnung. Jürgen Brinkmann, Rechtsanwalt und Vorsitzender von Haus und Grund e. V. Lahr, stellt eine Reihe von Fragen: "Warum soll der Vermieter für Kosten von Energieverbräuchen ganz oder teilweise einstehen, die er nicht verursacht hat? Wie sollen Mieter mit Etagenheizungen mit Gas behandelt werden, die das Gas selbst beziehen? Sollen diese einen Erstattungsanspruch gegen den Vermieter bekommen?" Er glaubt, dass die Umsetzung des Stufenmodells ganz erhebliche Probleme verursachen wird.
Was ist, wenn ein Gebäude aufgrund von Denkmalschutz nicht gedämmt werden darf?
Ausnahmen kann es geben, wenn Vermieter, etwa bei denkmalgeschützten Gebäuden oder in Milieuschutzgebieten, keinen Beitrag zur energetischen Sanierung leisten können.
Für welche Gebäude gilt das Stufenmodell?
Es gilt für alle Wohngebäude einschließlich Wohn-, Alten- und Pflegeheimen und Gebäuden mit einer gemischten Nutzung, in denen Brennstoffe verwendet werden, die unter das Brennstoffemissionshandelsgesetz fallen. Bei Nicht-Wohngebäuden wie Gewerberäumen greift eine 50:50-Aufteilung. Udo Casper findet, dass das Stufenmodell nachgebessert werden müsse, "weil es ungerechter ist, wie das im Koalitionsvertrag vorgesehene 50:50-Modell. Nach einer Analyse des Berliner Mietervereins werden vier Fünftel der Mieterhaushalte mehr als 50 Prozent der CO2-Bepreisung zu tragen haben. Selbst in der schlechtesten Gebäudeklasse müssen Mieter noch zehn Prozent der CO2-Bepreisung zahlen."
Was bedeutet das für die Mieter?
"Das Stufenmodell wird erst 2023 eingeführt. In diesem Jahr, in dem die Heizkosten explodieren, müssen Mieter weiter den vollen CO2-Preis bezahlen. Die Nebenkosten werden deutlich steigen", warnt Casper. Und weiter: "Insbesondere Mieter, die in schlecht sanierten Gebäuden wohnen, können wenig an ihrem Verbrauch ändern und bekommen hohe Kosten aufgebürdet. Man darf nicht übersehen, dass Mieter nach einer energetischen Sanierung ihrer Wohnung zwar weniger CO2-Kosten zu zahlen haben, aber nach der bestehenden Gesetzeslage die Modernisierung alleine bezahlen." Wohnen, so befürchtet Casper, drohe für viele Mieter unbezahlbar zu werden und könne ein Armutsrisiko darstellen.
Was müssen Vermieter tun, um die Stufe, die für ihr Gebäude gilt, festzustellen und wer trägt die Kosten der Einstufung?
"Die Rechnung für den Energieträger – Gas, Öl, Kohle, Holz, Strom – kann Ausgangspunkt für die Ermittlung der Stufe sein", so Brinkmann. Ansonsten könne anhand des Energieausweises sowie Kenntnissen über den CO2-Ausstoß der einzelnen Energieträger eine Einstufung vorgenommen werden. "Dies kann zum Teil mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein und der Streit mit den Mietern ist vorprogrammiert", warnt Brinkmann. Die Frage, wer die Einstufungskosten trage, sei im Eckpunktepapier bislang nicht geregelt. "Im Zweifel werden die Kosten von den Vermietern zu tragen sein", vermutet der Rechtsanwalt. Er befürchtet, dass der Aufwand die anteiligen Kosten aufzuschlüsseln, erheblich sein kann und gerade von älteren Vermietern kaum zu leisten ist.
Was rät Haus und Grund seinen Mitgliedern?
"Wir lehnen das Zehn-Stufenmodel ab. Unsere Mitglieder sollten Kontakt mit den Mandatsträgern aufnehmen und diese versuchen, zu überzeugen, die CO2-Kosten wie alle anderen Betriebskosten zu behandeln", so Brinkmann. Träte es dennoch in Kraft, rät er zur Beratung.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.