Die Glosse im Guller
Nix da Homeoffice, gearbeitet wird im Zug
Er trug zitronengelbe Hosen und hatte gleich zwei I-Phones, mit denen er herumhantierte. Klar, er war ja auch ein besonders wichtiger Mann, wie alle im Zugabteil bald erfahren sollten. Wir wurden nämlich Zeuge, wie er sehr laut ein Telefonat führte, bei dem es offensichtlich um eine Stellenbesetzung ging. Als der Zitronenfalter es nach einer gefühlten Ewigkeit endlich beendete, wusste ich, dass er ein echter Entscheidungsträger, sein Anspruch an Mitarbeiter hoch, die Bezahlung aber gering ist und ich mir lieber eine Gabel ins Auge stechen als für ihn arbeiten würde.
Ein "Meeting" mit dem Aufsichtsrat
Noch während ich über das gerade Gehörte nachdachte, sorgte ein weiteres Telefonat für Ablenkung. Diesmal trompetete die Frau ins Handy, die vis-a-vis vom Zitronenfaltermann saß und bis dahin hochkonzentriert mit ihrem Laptop beschäftigt war. Immer mal wieder hatte sie mit gerunzelter Stirn kurz innegehalten, um dann noch entschlossener auf die Tastatur einzudreschen. Insgeheim hatte ich mich schon gefragt, was sie da wohl verfasste. Jetzt erfuhr ich genauso wie alle anderen Mitreisenden, dass die Frau ein bedeutendes "Meeting" mit Vorstand und Aufsichtsrat vorbereitete. Es war nur ein kurzes Gespräch. Doch ich war beeindruckt. War das noch zu toppen?
Turnschuhe zum Anzug
Ein junger Mann, der Turnschuhe zum Anzug trug und einen mächtigen schwarzen Rauschebart hatte, nahm die Herausforderung an. Um was es bei seinem Telefongespräch ging, weiß ich nicht. Er schrie in einer mir fremden Sprache mit vielen harten Konsonanten und kehligem Ch. Nein, kein Schwyzerdütsch, eher arabische Halbinsel. Jedenfalls klang es so, als würde er eine Rugbymannschaft auf ein alles entscheidendes Spiel einstimmen. Gerne hätte ich weiter zugehört, aber ich musste aussteigen.
Nix da Homeoffice, der moderne Mensch arbeitet heutzutage gerne im Zug. Und zwar so, dass es alle mitbekommen.
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