Kammerpräsident Johannes Ullrich zur Ausbildungssituation
Im Handwerk deutet sich Trendwende an
"Handwerk hat goldenen Boden" – diese Aussage scheint ihre Zugkraft bei Schulabgängern verloren zu haben. Immer mehr Ausbildungsstellen blieben in der Vergangenheit unbesetzt. Christina Großheim sprach mit Johannes Ulrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg, der einen leichten Anstieg bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im vergangenen Jahr verzeichnen kann, über die Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Ulrich sieht eine leichte Trendwende, aber noch keinen Grund zur Zufriedenheit.
Wie hat sich die Ausbildungssituation im Handwerk im vergangenen Jahr entwickelt?
Mit 2.415 Verträgen ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Kammerbezirk Freiburg 2017 im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Prozent gestiegen – das Handwerk kann die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse also weiterhin konstant halten. Auf den ersten Blick könnten wir uns mit diesem leichten Plus zufrieden geben. Als Erfolg können wir das aber nur bedingt feiern. Eine Trendwende, wonach das Handwerk bei Schulabgängern – welcher Schulform auch immer – an Attraktivität gewinnt, lässt sich in Ansätzen zwar erahnen, aber noch nicht anhand von Zahlen belegen.
Das Handwerk tut sich trotz vieler Anstrengungen in den vergangenen Jahren in weiten Bereichen schwer damit, sich gegenüber der Konkurrenz auf dem Ausbildungsmarkt zu behaupten. Die Handwerkskammer und weitere Handwerksorganisationen unterstützen die Betriebe dabei, alle vorhandenen Potenziale zu nutzen. Das reicht von Jugendlichen ohne Schulabschluss bis hin zu Studienabbrechern.
Welche Berufsbilder sind bei Schulabgängern denn am begehrtesten?
Die meisten neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge wurden auch 2017 wieder im Beruf Kfz-Mechatroniker abgeschlossen – 312 neue Verträge. Darauf folgen die Elektroniker mit 224 neu eingetragenen Lehrverhältnissen. Auf dem dritten Platz folgt der Beruf Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik mit 203 neu eingetragenen Lehrverhältnissen.
In welchen Berufen wird nach wie vor ein Auszubildendenmangel beklagt?
In nahezu allen Branchen sind die Auftragsbücher gut gefüllt – daher suchen Handwerksbetriebe auch in fast allen Bereichen nach Auszubildenden. Einzelne Sparten, zum Beispiel das Lebensmittelhandwerk, haben aber vor allem auch mit schwierigen Modalitäten wie etwa einem frühen Arbeitszeitbeginn zu kämpfen. Die Bäcker und Fleischer leisten hier bereits viel Aufklärungsarbeit, um die positiven Aspekte und Karrierechancen ihrer Berufe in den Vordergrund zu stellen. Das lässt sich aber natürlich nicht von jetzt auf gleich ändern.
Was können die Betriebe tun, um sich Nachwuchskräfte auch in weniger attraktiven Berufen zu sichern?
Die Betriebe mussten die Suche nach passendem Nachwuchs in den vergangenen Jahren deutlich intensivieren – und müssen auch jetzt noch eine Schippe drauflegen. Jeder Betrieb hat individuelle Voraussetzungen und somit seine ganz eigenen Erfolgsfaktoren. Dazu sollte gehören, die eigenen Ausbildungsberufe vorzustellen und passende Praktika anzubieten. Ich kann nur jedem Betrieb raten, alle vorhandenen Potenziale auszuschöpfen und insbesondere auch die Unterstützungsangebote der Handwerkskammer zu nutzen.
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