Fußnote, die Glosse im Guller
Badisches Schweigen

Der Ortenaukreis ist für uns alle zur Heimat geworden. Tatsächlich hier geboren ist aber nur ein Mitglied der Guller-Redaktion. Ansonsten standen die Wiegen in ganz Deutschland verteilt. Dass bei unseren Redaktionskonferenzen trotzdem keine babylonisches Dialektwirrwar herrscht, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass alle mehr oder weniger Hochdeutsch sprechen. Davon abgesehen haben einige aber auch die längste Zeit ihres Lebens in Baden verbracht. Teilweise sind Dialekt sowie landestypische Verhaltensweisen sogar etwas auf sie abgefärbt.

"Neigschmeckte"

Unser neue Kollege, ein Rheinländer, den es einige Zeit in den hohen Norden verschlagen hatte, hat bei manchen Ausdrücken hin und wieder doch große Fragezeichen in den Augen. Als ob es nur das wäre. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es für "Neigschmeckte" sogar noch viel schwieriger ist, das zu verstehen, was Badener ausdrücken, wenn sie nichts sagen. Das badische Schweigen kann nämlich vieles bedeuten.

Nachdenken

Oft herrscht nur deshalb Stille, weil noch nachgedacht wird. Mancher quirligen Quasselstrippe von außerhalb mag das verdächtig lange vorkommen. Jedoch von Natur aus eher bedächtig, blubbert es aus Badenern halt nicht einfach so unkontrolliert heraus. Ich habe schon mal beobachtet, wie meine Fingernägel gewachsen sind, während ich darauf wartete, ob ich einem gebürtigen Lahrer eine zweite Tasse Kaffee einschenken durfte.

Reingefallen

Mit der Zeit und etwas Übung ist jedoch selbst für Auswärtige erkennbar, wann eine badische Bedenkminute wahrscheinlich vorbei ist. Bis dahin hilft nur vorsichtiges Nachhaken.
Mangelnder Widerspruch ist übrigens keinesfalls mit Zustimmung zu verwechseln. So mancher Verkäufer glaubte schon, er hätte einen Deal fix und war dann richtiggehend beleidigt, weil es doch nicht zur Vertragsunterzeichnung kam. Tja, reingefallen: Nur weil ein Badener jemandem eine halbe Stunde lang wohlwollend zuhört, heißt das noch lange nicht, dass er das Gehörte gutheißt. Aber es wäre doch auch unhöflich, den Herrn Verkäufer nicht ausreden zu lassen, wenn er doch so viel zu sagen hat.

Lob genug

Übrigens kann sich hinter dem Schweigen eines Badeners auch die allergrößte Wertschätzung verbergen. Denn wie heißt es so schön: Nicht geschimpft, ist Lob genug.

Doppelt verschwiegen

Mein persönliches Highlight ist die doppelte Verschwiegenheit einer früheren Acherner Nachbarin, die mir einmal schwor: "Ich habe niemandem nix gesagt." Als sich die Verwirrung etwas gelegt hatte, glaubte ich zu ahnen, was gemeint war. Oder war es vielleicht ein Freud'scher Versprecher? Betrachten wir es als ein symbadisches Rätsel.
Anne-Marie Glaser

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