Wildtierbeauftragter Matthias Saecker erklärt
Was ist dran am Mythos vom "bösen Wolf"?
Ortenau (cao). "Wer hat Angst vorm bösen Wolf?" Das Fangspiel kennt jedes Kind. Doch ist das Waldtier wirklich so böse und die Angst vieler Menschen begründet, wenn der Wolf in den Schwarzwald zurückkehrt? Über das historische Wolfsbild der Menschen mag Matthias Saecker keine fachlichen Aussagen machen. Zu seinen Aufgaben als Forstrevierleiter in Gegenbach und Nordrach sowie als Wildtierbeauftragter des Ortenaukreises gehören die Beratung und Mitwirkung beim Wildtiermanagement und -schutz – insbesondere von Wildtieren im Siedlungsraum – in Zusammenarbeit mit der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg.
"In Europa leben mehr als 10.000 Wölfe", informiert Saecker. In Deutschland kämen Wölfe überwiegend in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vor. Laut Nabu, mit Stand vom 27. November 2017, leben 73 Rudel beziehungsweise Paare in Deutschland. Ein Rudel bestehe aus etwa acht bis zwölf Tieren. "Je nach Nahrungsvorkommen leben mehrere Rudel in einem Gebiet, in Sachsen beispielsweise leben viele Rudel eng beieinander, allerdings in menschlich dünn besiedelten Gebieten", so Saecker.
In Deutschland sei der Wolf durch Bejagung ausgerottet gewesen, "weil er ein Problem für die Weideviehhaltung darstellte". Der letzte badische Wolf wurde laut dem Wildtierbeauftragten 1866 bei Zwingenberg im Odenwald erlegt: "Einwandernde Wölfe aus Polen – dort gab es sie immer – wurden in der DDR bejagt." Seit der Wiedervereinigung 1989 unterliege der Wolf gemäß EU-Recht und Bundesnaturschutzgesetz einem strengen Schutz. Im Jahr 2000 seien erste Wolfswelpen in Sachsen geboren worden.
Gefährlich würden Wölfe in freier Wildbahn dann, wenn Menschen sie regelmäßig fütterten. Sie würden zutraulicher und könnten Menschen angreifen. Dies sei auch bei Bären und Wildschweinen bekannt. In Europa sei es bisher kaum zu Todesfällen von Menschen durch Wölfe gekommen. Eine groß angelegte finnische Studie aus dem Jahr 2002 spreche von neun Todesfällen seit Mitte des 20. Jahrhunderts – fünf würden auf Tollwut zurückgehen und seien somit nicht ursächlich dem Wolf zuzurechnen, bei den anderen seien die Wölfe zuvor vom Menschen aktiv provoziert worden.
Wildtiere, insbesonders Rehe und Wildschweine, vereinzelt auch Rotwild, seien die natürliche Nahrungsgrundlage der Wölfe. Nutztierhalter seien von der Rückkehr des Wolfes sicherlich stark betroffen: "Sie suchen dort ihre Beute, wo sie dies mit geringstem Aufwand tun können." Die bisherigen Schutzmaßnahmen wie Zäune dienten dazu, dass die Nutztiere nicht ausbrechen konnten. "Daher mussten wir uns bisher noch keine Gedanken zum Schutz der Tiere vor eindringenden Tieren machen", so Saecker.
Beim Luchs, der meist nur ein Tier reiße, sei dies erstmalig thematisiert worden. Beim Wolf hätte es aber sicherlich eine größere Dimension: "Nutztiere müssen daher bei Wolfsvorkommen besonders geschützt werden." Der Aufwand für die Schutzmaßnahmen der Nutztierhalter steige an: "Insbesondere in unseren meist kleinparzellierten Weidegebieten im Schwarzwald, die oft von Landwirten im Nebenbetrieb bewirtschaftet werden, ist dies eine große Herausforderung."
Der Großteil der sesshaften Tiere und Rudel lerne durch Erfahrung, dass es sich nicht lohne, in eingezäunte Weiden einzudringen. "In Gebieten, in denen sich Wölfe neu etablieren, sind Übergriffe auf Nutztiere anfangs meist besonders häufig, da die Tierhalter oft nicht ausreichend auf die neue Situation vorbereitet sind. Einen hundertprozentigen Schutz wird es allerdings nicht geben", sagt Matthias Saecker.
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