Existentielle Notlagen nehmen durch Corona zu
Schuldnerberatung rät, frühzeitig Hilfe zu suchen
Ortenau (ds). Die Gründe, warum jemand in finanzielle Not gerät, sind vielfältig. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie wird manch einen die Hilfe der Schuldnerberatungen in der Ortenau in Anspruch nehmen lassen.
"Bislang können wir noch nicht feststellen, dass mehr Personen als sonst die Schuldnerberatung der Kommunalen Arbeitsförderung in Anspruch nehmen", erklärt Thomas Wagner, Schuldnerberater bei der KOA. In der Anfangszeit der Krise sei es sogar sehr ruhig gewesen, weil die Leute mit anderen Problemen beschäftigt gewesen waren und man auch nicht wusste, wie gefährlich das Virus wirklich ist. "Je länger aber die Krise anhält und vermehrt Beschäftigte von Kurzarbeitergeld leben müssen, desto wahrscheinlicher werden ihnen die Reserven ausgehen", räumt Wagner ein. Bei den Einzelunternehmern werde die Frage sein, wann die Kunden wieder zurückkommen und ob die Rücklagen und staatlichen Soforthilfen so lange ausreichen, um die Durststrecke zu überwinden. "Ob vielleicht im Herbst mehr Schuldner zur Schuldnerberatung kommen, wird also von den Faktoren abhängen, wie lange die Krise noch dauert, wie lange die Rücklagen und staatlichen Leistungen ausreichen und ob die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Genauere Prognosen sind derzeit schwierig", so der Schuldnerberater.
Wenn Sonderregelungen wegfallen
Auch bei der Schuldnerberatung des Caritasverbands in Lahr weiß man, dass die Corona-Pandemie viele Menschen in eine schwierige finanzielle Lage gebracht hat. "Bisher helfen vielfältige Sonderregelungen für Kleinselbstständige, Mieter, Energiebezieher, Darlehensnehmer, Arbeitnehmer und Arbeitslose, die existenziellen Grundlagen der Betroffenen zu sichern", so Schuldnerberater Bernhard Birmans auf Anfrage. Allerdings werde dieser „Schutzschirm“ irgendwann wegfallen. Dann seien gestundete beziehungsweise zurückgestellte Forderungen zu zahlen, Sozialanträge würden strenger geprüft und die Zahl der Arbeitslosen ansteigen. Zudem seien Kündigungen von Mietwohnung, Darlehen oder Energiebezug, die coronabedingt aufgeschoben wurden, nun wieder möglich. "Existenzielle Notlagen und eine drohende dauerhafte Verschuldung werden sicher deutlich häufiger werden", ist sich Birmans sicher. Coronabedingt musste die Schuldnerberatung der Caritas von persönlichen Beratungen vor Ort auf telefonische- und Online-Beratungen umstellen. "Die Nachfrage ist aber konstant geblieben. Auch die Anliegen sind überwiegend die gleichen wie vor Corona", berichtet Bernhard Birmans.
Das Leben finanziell sichern
Etwa jeder zehnte Erwachsene ist von Überschuldung betroffen. "Das kann ein Einzelunternehmer sein, dem vielleicht die Aufträge ausgehen, eine Familie, die ein Haus gebaut hat und dann eine Trennung erfolgt, jemand, der seine Arbeit verliert und langfristig nicht mehr ins Erwerbsleben zurückfindet, oder eine Person, die krank wird und nicht mehr arbeiten kann", erläutert Thomas Wagner, der für die KOA jährlich rund 600 Schuldner berät. Bis zum 30. Juni hat die KOA bereits 397 Beratungen durchgeführt. Rund 100 Beratungen hat die Caritas in Lahr schon zu verzeichnen, die jährlich eine Anzahl von etwa 230 Personen betreut. "Um die Auswirkungen und den psychischen Druck einer Überschuldung zu begrenzen, ist es für Betroffene wichtig, sich frühzeitig an die Schuldnerberatung zu wenden", betont Bernhard Birmans. Zuerst gelte es, sich einen Überblick über die Ausgaben und Verpflichtungen zu verschaffen. Erste Maßnahmen würden sich darauf konzentrieren, dass das Leben finanziell gesichert und dass auch für die unterhaltsberechtigten Angehörigen gesorgt sei. Dabei würden Kostenminderung, Arbeitssuche, Sozialleistungsanträge und Pfändungsschutz eine wichtige Rolle spielen. Die Entschuldungsmöglichkeiten durch Ratenzahlungen, einen Vergleich oder – notfalls – eine Insolvenz würden außerdem besprochen werden. "Die Caritas-Schuldnerberatung führt die Gläubigerverhandlungen und unterstützt bei der Insolvenz-Antragstellung", erläutert Birmans.
Landratsamt und Caritas
Die Schuldnerberatung im Landratsamt Ortenaukreis ist für Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten, die gleichzeitig Grundsicherung vom Jobcenter oder vom Sozialamt beziehen. In Kehl, Lahr und Offenburg führt die KOA die Schuldnerberatung selbst durch. Für Achern und das Kinzigtal ist das Beratungsangebot bei den Caritasverbänden angegliedert und wird vom Ortenaukreis finanziert.
Der Schwerpunkt der Schuldnerberatung liegt zwar bei der Lösung finanzieller Schwierigkeiten. Gleichzeitig werden aber auch die damit verbundenen persönlichen Probleme thematisiert, die oft nicht von den finanziellen Problemen zu trennen sind, wie zum Beispiel die Schwierigkeiten nach einer Trennung oder Scheidung. Für Menschen, die keine Grundsicherung vom Jobcenter oder Sozialamt beziehen und trotzdem finanzielle Probleme haben, bieten ebenfalls die Caritasverbände im Ortenaukreis Schuldnerberatungen an. Sie werden finanziell vom Kreis unterstützt.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.