Transformation
Die evangelische Kirche geht Herausforderungen an
von Anne-Marie Glaser
Ortenau Beim Thema Kirche winken manche fast schon automatisch ab. Sie haben sich von ihr aus unterschiedlichen Gründen abgewandt. Ein Problem, das auch der evangelischen Kirche zu schaffen macht. "Es ist aber nicht die einzige Herausforderung", wie Rainer Becker betont. Er ist der geschäftsführende Dekan im evangelischen Kirchenbezirk Ortenau – sowohl in Bezug auf Fläche als auch Mitgliederzahl der größte in der badischen Landeskirche. Rund 100.000 Mitglieder zählt er und alle sind eingeladen, sich in den Prozess der Transformation einzubringen. Denn genau in einem solchen befindet sich die evangelische Kirche. "Es geht um die Kirche der Zukunft", sagt Becker.
Internet und Inflation
Der Dekan zählt die wesentlichen Punkte auf. Da ist zunächst das Imageproblem, was durch schlechte Presse befeuert wird. "Wenn die Bindung gering ist und ich höre von neuen Skandalen, dann ist die Fliehkraft groß", erklärt Becker. Dann spielen die neuen Medien eine Rolle: "Was sie an Antworten suchen, holen sich viele zunehmend aus dem Internet, auch wenn es um Sinnfragen geht". Hinzu kommt, dass die kirchliche Sozialisation nicht mehr wie früher automatisch erfolgt. Da war es halt selbstverständlich, sein Kind zu taufen. Inzwischen sterben mehr Kirchenmitglieder als Täuflinge hinzukommen. Andere treten aus Kostengründen aus der Kirche aus. "Mit steigender Inflation überlegen die Menschen, wo sie sparen können", so der Kirchenvertreter.
"In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Mitglieder in der Ortenau um zehn Prozent zurückgegangen", weiß Becker. In der Landeskirche Baden waren es sogar zwölf Prozent. Mit den Austritten verringern sich natürlich die Einnahmen durch Kirchensteuern. Und last but not least leidet die Kirche unter dem Fachkräftemangel, was vor allem dem demografischen Wandel geschuldet ist.
Jetzt entgegensteuern
"Jetzt geht es darum, entgegenzusteuern", sagt Becker. Beispielsweise wird in der Ortenau gerade diskutiert, wie die Kirchengemeinde sich in den neuen Medien positiv präsentieren kann. Weiter ist Reduktion ein wichtiges Stichwort. Letztendlich geht es dabei ums Sparen. So hat die Landessynode das Ziel 30 Prozent festgelegt. Konkret: Es sollen je 30 Prozent weniger für Stellen, Finanzzuweisungen und Gebäude ausgegeben werden. "Wir haben derzeit in der Ortenau 53 Pfarrstellen, bis 2036 müssen 13 eingespart werden", erklärt Becker. "Es wird aber niemand entlassen." Bei Gebäudesanierungen teilten sich bislang Landeskirche und Kirchengemeinde die Kosten. Nun müssen von den 115 Gemeindehäusern und Kirchen in der Ortenau 34 bestimmt werden, die bei Renovierungen nicht mehr durch landeskirchliche Mittel unterstützt werden. "Das muss keineswegs Verkauf heißen", sagt der Dekan. Auch Fundraising ist ein Thema, also Spendensammeln.
Wo gespart wird, entscheidet der Bezirkskirchenrat: "Eine Projektgruppe erarbeitet gerade Vorschläge." Weiter stellt sich die Frage nach der künftigen Struktur. Idee ist, dass drei bis fünf Kirchengemeinden in einem Kooperationsraum arbeiten. Es gibt drei Modelle: Alle bleiben selbstständig und schließen einen Kooperationsvertrag für Bereiche, in denen nicht mehr die einzelne Gemeinde zuständig ist, es wird ein Verband gegründet oder Fusion. "Wir müssen jetzt handeln, so lange wir noch Handlungsspielraum haben", betont Rainer Becker. Auch er weiß nicht, wie die Kirche 2032 aussehen wird, lädt jedoch alle ein, sich einzubringen.
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