Mehr Kinderschutz in der Ortenau
Childhood-Haus nimmt Arbeit auf
Ortenau (st). Vor wenigen Tagen hat das Childhood-Haus Ortenau als Zweites seiner Art in Baden-Württemberg seine Arbeit aufgenommen. An die interdisziplinäre Anlaufstelle, die unter der Trägerschaft des Ortenau Klinikums läuft, können sich Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrung und deren Familien wenden. Das Childhood-Haus Ortenau wurde initiiert durch die World Childhood Foundation. Der Landkreis hat dem Projekt bereits eine langfristige finanzielle Unterstützung zugesichert.
Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche
Das Childhood-Haus ist eine kinderfreundliche, multidisziplinäre und behördenübergreifende ambulante Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die Opfer oder Zeugen von sexualisierter oder körperlicher Gewalt geworden sind. Im Verdachts- oder erklärten Fall von Gewalt gegen ein Kind oder Jugendlichen werden diese im Childhood-Haus in kinderfreundlicher Atmosphäre durch den gesamten Verlauf aus Untersuchungen und Befragungen begleitet. Dort finden sie die notwendige fachkundige Hilfe, die sich umfassend nach den Sorgen und Bedürfnissen der Betroffenen richtet. Durch die enge behördenübergreifende Kooperation können Untersuchungen und Befragungen des Kindes auf ein Minimum reduziert werden. So wird einer Retraumatisierung des Kindes vorgebeugt. Das Childhood-Haus-Konzept ist komplett aus der Perspektive des Kindes gedacht und stellt dessen Wohlbefinden und Schutz in den Vordergrund.
Die Besonderheit in der Ortenau
Das Besondere am Childhood-Haus Ortenau ist die Weiterentwicklung der bereits bestehenden und seit zwölf Jahren gut etablierten Kinderschutzambulanz. Diese wurde bereits 2009 als Nahtstelle von Jugendhilfe und Gesundheitswesen in Kooperation des Ortenau Klinikums und des Landratsamtes Ortenaukreis eingerichtet. Das neue Angebot für betroffene Kinder und Jugendliche wird vom Landkreis begrüßt, der sich bereits für eine langfristige finanzielle Unterstützung des Childhood-Hauses ausgesprochen hat.
„Wir haben im Ortenaukreis ein gut funktionierendes System im Bereich des Kinderschutzes, das auch präventive Elemente wie die Babysprechzeit im Rahmen der Frühen Hilfen umfasst und Einrichtungen mit ihren Fachkräften sowie Eltern beratend und unterstützend zur Seite steht. Eine erhöhte Sensibilität für die Belange und den Schutz von Kindern ist essenziell, um mögliche Notlagen zu erkennen, zu verhindern oder zu beseitigen“, bekräftigt Landrat Frank Scherer. „Aus diesem Grund hat der Ortenaukreis bereits in der Vergangenheit viel in die Kinderschutzambulanz und die Frühen Hilfen investiert. Das Childhood-Haus ist eine wichtige und richtige Weiterentwicklung in diesem Sinne“, so Scherer weiter.
„Mit dem Childhood-Haus gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt für betroffene Kinder und Jugendliche in der Ortenau. Ein Gewinn für unsere Region!“, betont Mathias Halsinger, Verwaltungsdirektor des Ortenau Klinikums. „Die betroffenen Kinder und Jugendlichen zu schützen, eine zentrale Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in allen Phasen nach erlittener Gewalt zu sein sowie durch präventive Angebote Gewalt vorzubeugen, ist das oberste Ziel des Childhood-Hauses Ortenau“, so Dr. Stefan Stuhrmann, Chefarzt der Kinderklinik am Ortenau Klinikum Offenburg-Kehl und Ärztlicher Leiter des Childhood-Hauses.
Kinderschutzambulanz bleibt bestehen
„An den bestehenden Angeboten der bisherigen Kinderschutzambulanz wird sich für die Eltern, Kinder und Jugendlichen und auch für die Fachkräfte der Kooperationspartner nichts ändern“, betont Eveline Viernickel, die als Teamleitung der Kinderschutzambulanz das Projekt am Ortenau Klinikum mitverantwortet hat: „Wir sind weiterhin niedrigschwellig und kostenfrei, sowohl für von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche und Eltern da, als auch für Familien mit Säuglingen und Kleinkindern, die viel schreien, Fütter- oder Schlafprobleme haben oder exzessiv trotzen oder klammern. Unser interdisziplinäres Team besteht aus Psychotherapeuten, Sozialpädagogen und Ärzten und arbeitet in enger Kooperation mit Jugendamt, Polizei und Justiz. So können je nach Bedarf weitere Schritte koordiniert und auch audiovisuelle Befragungen von Mitarbeiter*innen der Polizei oder Justiz unter einem Dach stattfinden. Das Childhood-Haus ist dabei immer ein geschützter Raum für die von uns betreuten Kinder und Jugendlichen, in dem deren Wohl im Mittelpunkt steht.“
Ein gemeinschaftliches Projekt
„Uns freut es sehr, dass auch unter den besonderen Herausforderungen des vergangenen Jahres jetzt hier in der Ortenau ein Childhood-Haus eröffnet!“, betont Dr. Astrid Helling-Bakki, Geschäftsführerin der World Childhood Foundation Deutschland. Die Stiftung setzt sich seit mehr als 20 Jahren für einen besseren Schutz von Kindern vor sexualisierter und körperlicher Gewalt ein. Das Ortenauer Projekt ist dabei Teil der bundesweiten Initiative der Stiftung, die das Childhood-Haus-Konzept im deutschen Kinderschutz etablieren will.
Als Partner der World Childhood Foundation ist die regional ansässige Deutsche Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel ein weiterer starker Unterstützer vom Childhood-Haus Ortenau. „Kinderschutz beginnt bei früher Prävention und darf nicht enden, wenn Kinder von sexualisierter oder körperlicher Gewalt betroffen sind. In der Aufklärungs- und Therapiephase muss das Kind bestmöglich geschützt werden. Deshalb verfolgen wir diesen weitreichenden Kinderschutzgedanken gemeinsam mit der World Childhood Foundation“, sagt Geschäftsführer Jerôme Braun.
Um die Finanzierung des Childhood-Hauses auch langfristig und über die Förderdauer der World Childhood Foundation hinaus zu sichern, hat sich auch ein lokaler Förderverein gegründet. Erster Vereinsvorsitzender des Fördervereins Childhood-Haus Ortenau ist Reinhard Renter, Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Offenburg: „Uns ist es eine Herzensangelegenheit, betroffenen Kindern und Jugendlichen den bestmöglichen Schutz zu bieten. Sie finden im Childhood-Haus einen Ort der Sicherheit, Wärme und Geborgenheit, wo sie von geschultem Fachpersonal aufgefangen werden. Helfen Sie mit, dieses großartige Projekt durch Ihre Mitgliedschaft zu unterschützen.“
Das Projekt Childhood-Haus Ortenau wurde auch möglich gemacht durch die finanzielle Unterstützung der Tribute-to-Bambi-Stiftung, der Postcode-Lotterie und dem gemeinnützigen Verein Allianz für die Jugend e.V. Südwest mit Sitz in Stuttgart.
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