Villa Bauer
Mit Glanz und schlichter Schönheit
Offenburg (st) Seit im Mai die letzten Handwerker abgezogen sind, hat sich das nördliche Mühlbach-Areal zu einem attraktiven Naherholungsgebiet gemausert. Geprägt wird es von vier denkmalgeschützten Gebäuden, die nach ihrer Sanierung nicht nur toll anzusehen sind, sondern auch eine wechselvolle Geschichte erzählen.
Sowohl die Villa Bauer, der Webereihochbau, als auch die Werkswohnungen und das Kesselhaus waren Teil der alten „Weberei und Spinnerei“, die der Stadt Offenburg ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Ruhm und Wohlstand brachte.
Als das Geschäft mit Garnen und Stoffen florierte, hatte das Kulturdenkmal „Villa Bauer“ seine Geburtsstunde. 1875 bis 1876 wurde der Westflügel als zweigeschossiges Comptoirgebäude im Stil des badischen Klassizismus errichtet Der Namensgeber Wilhelm Bauer übernahm 1902 als Alleinaktionär die Geschicke der Fabrik. 1921 wurde die Villa durch den querversetzten Kopfbau dann erweitert. Die Familie Bauer zog in das erste Obergeschoss ein, das Personal ins Dachgeschoss, wie es damals üblich war, und im Erdgeschoss wurden die Räumlichkeiten für die Verwaltung weitergenutzt.
Feuer im Dachgeschoss
Vielen älteren Offenburgern noch gut bekannt ist Dr. Wilhelm Bauer, der 1925 als weltoffener und moderner Juniorchef in die Fußstapfen seines gleichnamigen Vaters trat. Er entwickelte das Offenburger Unternehmen zu einem der modernsten und größten Textilbetriebe Süddeutschlands. Als 1974 die Direktorenära endete, kaufte die Stadt Offenburg die Villa nebst Park. Sie wurde zum Herzstück der Volkshochschule und Musikschule.
1996 wechselte die Musikschule und 2007 die Volkshochschule aus Platzgründen in das Kulturforum und machten dem Institut für deutsche Sprache Platz. Auch die Kunstschule nutzt bis heute noch das lichtdurchflutete Dachgeschoss als Atelier. Die Villa war zwar in die Jahre gekommen, aber noch gut in Schuss, bis am 5. Juli 2012 ein Feuer im Dachgeschoss ausbrach. Trotz Großaufgebots der Feuerwehr brannte der Dachstuhl fast vollständig nieder. „Das Löschwasser und die anschließenden Regenfälle richteten zusätzlich große Schäden an“, erinnert sich Erwin Müller von der Abteilung Gebäudemanagement der Stadt. Schimmel drang in die Räume ein und die Parkettböden quollen auf.
Abbruch oder Wiederaufbau? Es würde teuer werden. Für die Stadt war jedoch nach kurzer Zeit klar, dass das Kleinod gerettet werden muss. Der richtige Bauleiter für dieses ungeplante und herausfordernde Großprojekt war Erwin Müller, der auf Grund seiner langjährigen Berufserfahrung dieses schwierige Unterfangen in kurzer Zeit erfolgreich verwirklichte. Mit ein Grund war auch die rasche Zusage der Städtebauförderung, den Wiederaufbau mit einer Million Euro zu unterstützen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund fünf Millionen Euro, wovon die Gebäudeversicherung zirka 2,6 Millionen Euro auszahlte. Den Rest schulterte die Stadt. Die Arbeiten, die Erwin Müller als Bauleiter betreute, wurden bis ins kleinste Detail geplant. Denn neben modernen Nutzungsanforderungen mussten auch der Denkmal-, Brand- und Wärmeschutz beachtet werden. Was zu retten war, wurde ausgebessert – selbst faulende Balken und aufgequollene Dielenböden, was großen Sachverstand erforderte. Doch während der Sanierung offenbarte die Villa Bauer ihre ganze Pracht. Unter schlichten Gipsschichten kamen wertvolle Stuck-Kassetten-Decken und sogar ein kunstvolles Deckengemälde zum Vorschein. Auch seltene Wandfliesen und Einbauschränke sowie stilvolle Türen und edle Holzböden wurden ausgebaut, gereinigt und sorgsam restauriert. Nach der Generalsanierung erstrahlt die Fabrikantenvilla nun wieder wie früher in Glanz und schlichter Schönheit.
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