Das Montafon in Österreich
Lebendige Alpenkultur inmitten dreier Gebirgszüge

Unterhalb der Waldgrenze am Fuß der Drei Türme auf über 1740 Meter liegt die Lindauer Hütte des Alpenvereins. Zu allen Jahreszeiten kann man vom modern ausgestatteten Haus Touren aller Könnerstufen unternehmen.  | Foto: Daniel Basler
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  • Unterhalb der Waldgrenze am Fuß der Drei Türme auf über 1740 Meter liegt die Lindauer Hütte des Alpenvereins. Zu allen Jahreszeiten kann man vom modern ausgestatteten Haus Touren aller Könnerstufen unternehmen.
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Weiße Kalkwände im Rätikon, Moorgebiete im Verwall und zerklüftete Dreitausender in der Silvretta: Im Montafon vereinen sich viele Bergwelten zu einer staunenswerten Natursymphonie. Auch in der Winterzeit gibt es viel im Vorarlberger Tal unweit des Bodensees zu erleben: Idyllische Wanderpfade durch schneereiche Almlandschaften, gemütliche Hütten und eine ganz besondere Käse-Kultur.

Auf manchen Skiabfahrten geht es zu wie auf Schnellstraßen. Man saust den Hang hinunter und sammelt Kilometer. Allerdings richtig was zu sehen gibt es dabei oft wenig, da man beim flotten Tempo stets die Piste im Blick behält. Ähnlich wie bei einer Hochgebirgstour: Ist man unkonzentriert, könnte es unschöne Folgen haben.
Auf dem Erlebnisberg Golm aber, der zur Region Montafon gehört, will der Blick stets in die Ferne schweifen, umliegende Felsgrate und Gipfel, Hochalpen und die schimmernden Ansiedlungen der Talschaft fassen. Wer hierher zum Golmer Grat, einem Teil des östlichen Rätikon, nur für einen Adrenalin-Kick kommt, ist in etwa so fehl am Platz wie ein Rennbootfahrer in Venedig. An einem Ort wie diesem – er gehört zu den schönsten Skiarealen im österreichischen Bundesland Vorarlberg – blieb trotz Tourismus, Bewirtschaftung und Besiedelung eines bewahrt: Der ursprüngliche Charakter einer Gebirgsregion, die dem Beobachter vor Augen führt, wie gut es gelingen kann, eine einst stark bäuerlich geprägte Lebenskultur mit den Erfordernissen einer modernen Welt und eines konsequent nachhaltig orientierten Tourismuskonzepts zu verbinden.

Schon ein paar Tage reichen aus, um den Besonderheiten des rund 40 Kilometer langen Tals, eingerahmt von den Gebirgszügen Verwall, Rätikon und Silvretta, nachzuspüren – und dies auch in der kalten Jahreszeit auf imposanten Wanderungen zu Fuß durch den Schnee. Gleich im Ort Latschau, dem Zugangstor zum „Golm“, kann man vom Wanderparkplatz aus losstapfen. Ein guter und unkomplizierter Einstieg, um sich erst einmal zu akklimatisieren, ist der Marsch hinauf auf knapp 1750 Meter zur bewirtschafteten Lindauer Hütte, den man mit etwas Kondition in zweieinhalb Stunden schafft.
Anfangs geht’s noch etwas steil durch die kleine Waldschlucht des Rasafeibachs ins malerische Gauertal hinein. Nach und nach wird’s bequemer, das Tal weitet sich, man überquert verschneite Alpmatten und erreicht über die Untere Sporaalpe die erwähnte Alpenvereinshütte, eingebettet in einen imposanten Talschluss und gekrönt vom Drusentor, einem mächtigen Einschnitt zwischen Sulzfluh und den Drei Türmen, markanten Fels-Wahrzeichen des Montafons, an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz.
Drinnen im großen, voll ausgestatteten Holzbau ist dann erst mal Entspannung und eine ordentliche Mahlzeit nach dem Aufstieg angesagt: Und selbstverständlich ordern wir beim herzigen Hütten-Team Klassiker der Vorarlberger Küche wie einen fluffigen Kaiserschmarren und eine Portion pikant-aromatischen Sura Kees mit gekochten Kartoffeln, allesamt traditionsreiche Gerichte, wobei sich im letzteren ein für den Alpenraum ganz spezielles Erbe widerspiegelt - die sogenannte Maisäßkultur.

Schon unterhalb der Alpenvereinshütte sind wir auf kleine Gehöfte gestoßen, deren Nutzung uns jetzt erst in der warmen Stube verständlich wird. Ein einheimischer Bergführer, der mit am großen Tisch sitzt, führt uns erklärend zurück in jene Tage, in denen fast jede Montafoner Bauernfamilie über ein kleines Anwesen zwischen 1200 und 1700 Meter verfügte, um im Frühjahr und im Herbst das Vieh dort zu weiden und Käse und Butter herzustellen.
„Mit Sack und Pack zog man, weil es im Tal nicht genug Weideflächen gab, zu den höheren Lagen hinauf, quartierte sich in beengten Gebäuden ein und erlegte die beschwerliche Arbeit. Das Vieh auf die Weiden treiben, mähen, melken, sennen und füttern, während man im Herbst diesen Prozess wieder rückwärts durchlief“, erklärt er den Kern der Drei-Stufen-Landwirtschaft oder alpinen Halbnomadismus, wie diese Form der Bewirtschaftung wissenschaftlich bezeichnet wird.

Faktoren wie der Strukturwandel und rationalisierte Produktionsprozesse drängten die temporäre Sesshaftigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr zurück. Dennoch sind die heutigen Maisäße-Nutzer stark mit diesen Orten der Vergangenheit verbunden, nutzen sie als geschätzte Orte zur Erholung und Freizeitgestaltung, betont der Bergführer das emotionale Band der Montafoner zu ihren seit Jahrhunderten bestehenden kleinen Berg-Domizilen. Die Erinnerung an die traditionelle Lebensweise spiele gleichwohl bei der Herstellung des Sura Kees, ein sauervergorener Käse mit hohem Eiweißgehalt, eine bedeutende Rolle.

„Was früher als Arme-Leute-Essen verschrien war, hat sich in den letzten Jahren in der Gastronomie und in der Käseszene als würzige Spezialität seinen Platz erobert“, verabschiedet sich der Bergführer mit dem Hinweis auf einige ansässige Alpen und Hofsennereien, die einem der ältesten Käsesorten des Alpenraums die „Stange“ halten und den Sura Kees traditionsbewusst und zugleich innovativ zu neuen Ufern führen. Geradezu angestachelt, den nächsten Urlaubstag für die Stippvisite bei zwei, drei heimischen Käse-Erzeugern zu verbringen und die Sura Kees-Variationen durchzuprobieren, gibt unserer Schlitten-Partie das Gauertal hinunter (es sind sage und schreibe sieben Kilometer) noch einen zusätzlichen euphorischen Schub.

Text / Fotos: Daniel Basler

Nähere Infos und Tipps zu den Wintersport-Aktivitäten und Unterkünften im Montafon finden sich auf den Seiten: www.montafon.at, www.silvretta-montafon.at, www.vorarlberg.travel, www.silvretta-bielerhöhe.at, www.golm.at, www.bodensee.de/region/vorarlberg/montafon und www.austria.info

Besonderes Erlebnis: Das Alpenmosaik Montafon
Das „Alpenmosaik Montafon“ ist ein bestehendes, über 500 Kilometer langes Wegenetz, das mit vielen Informationen zu Kultur und Geschichte angereichert wurde. Auf Themenwegen kann man beliebig das Tal, den Rätikon, das Verwall oder die Silvretta erkundigen.
Die Region bietet das BergePlus-Programm an. Wer in einer BergePlus-Unterkunft wohnt, kann täglich kostenfrei an geführten Touren mit ausgebildeten Wander- und Naturführern teilnehmen. Die Touren finden schon ab einer Person statt.

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