Balanceakt zwischen Bewahren und Voranschreiten
Carmen Lötsch über den Kulturbetrieb der Zukunft
Offenburg (gro). Die Städte und Gemeinden haben einen Kulturauftrag, der ebenfalls dem Wandel der Zeit unterliegt. "Wir beschäftigen uns mit der Digitalisierung ganz erheblich auf unterschiedlichen Ebenen", so Carmen Lötsch, Leiterin des Fachbereichs Kultur bei der Stadt Offenburg. "Es gibt zwei Räume: den des Real Lifes und einen virtuellen Raum." Beide sind für Lötsch bereits mit steigendem Potential miteinander verknüpft. "Das wird auch Auswirkungen auf die Kultur haben: auf die Künstler, die Rezipienten und die gesamte Branche", ist sich Lötsch sicher.
Archiv ist das Gedächtnis der Stadt
"Als Stadt haben wir die Aufgabe zu bewahren und zu ermöglichen", fasst sie den Kulturauftrag zusammen. Der Bereich Bewahren wird für sie im Wesentlichen durch das Museum im Ritterhaus und das Archiv bestritten. "Es ist der Nucleus des Kulturbereichs", so Lötsch. "Wir bewahren Dinge und Urkunden, aber auch digitale Spuren auf. Nicht nur für heute, sondern für die Generationen, die nach uns kommen." Lötsch sieht das Archiv als das gesammelte Wissen einer Stadt, quasi als deren Gedächtnis.
"Im Bereich Archiv stellen sich uns neue Aufgaben", macht Carmen Lötsch deutlich. Denn künftig würden Akten nicht nur in Papierform abgelegt werden, sondern auch in digitaler Form. "Zurzeit läuft gerade eine bundesweite Diskussion, wie die digitalen Akten angelegt werden sollen", so Lötsch. Eines der Probleme sei, wie die Speichermedien der digitalen Akten aussehen werden: "Es wird nach einer bundesweiten Lösung gesucht." Ein wenig ärgert es die Kulturchefin, dass die Nutzung des virtuellen Raums so lange ausschließlich den Unternehmen überlassen wurde. "Wir brauchen Fachleute, die mit den neuen Medien umgehen können, die aber wissen, was mit den analogen Stücken zu tun ist", schildert Carmen Lötsch die Herausforderung. Denn auch weiterhin seien Experten gefragt, die alte Handschriften lesen könnten.
Museum als Ort der Begegnung
Ein digitales Museum hält die Kulturchefin für wenig wahrscheinlich: "Das Museum hat sich gewandelt, es geht heute schon darum, den Menschen die Begegnung zu ermöglichen." Dabei sei nicht nur die Auswahl der richtigen Ausstellungsstücke wichtig, sondern dem Besucher ein haptisches Erlebnis zu ermöglichen. "Gefordert ist ein Erlebnis rund um das Original", so Lötsch, die darin fast eine Gegenbewegung zur allgegenwärtigen Digitalisierung sieht: "Kultur bietet die persönliche Begegnung." Die hohe Nachfrage nach persönlichen Führungen und den museumspädagogischen Angeboten seien ein gutes Beispiel dafür. Wichtig sei, am Puls der Zeit in der Darstellung zu bleiben: "Ein Museum wird von Kindern genauso genutzt wie von Erwachsenen, wir müssen es für beide interessant gestalten."
Ein Beispiel, wie sich Präsentationsformen im Laufe der Zeit verändern, ist für sie die Texttafel, die als hochmodern galt. "Heute wollen die Besucher keine langen Erklärungen, sie wollen über das Selbsttun lernen." Wichtig ist ihr ebenfalls, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen: "Man muss nicht alles anbieten, nur weil es gerade hip ist."
Ein Blick in die Zukunft der Bibliotheken fällt ihr schwer: "Es gibt starke Veränderungen im klassischen Buchhandel", stellt sie fest. "Die Zahl derer, die Bücher lesen, geht kontinuierlich zurück. E-Books werden diese nicht ersetzen, sondern die Streamingdienste. Es geht in Richtung Lesen-on-Demand." Das bedeute jedoch kein Aus für die Bibliotheken: "Dies ist ein Ort, in dem eine Kommune Bildung und Leseförderung betreibt", erklärt Carmen Lötsch. "Wir arbeiten gerade an einem neuen Konzept für die Offenburger Stadtbücherei für die kommenden Jahre."
Zukunftsprojekt Schlachthof
Ein weiteres Zukunftsprojekt im Bereich Kultur in Offenburg sieht sie im Schlachthof. Das denkmalgeschützte Gebäude soll der Kreativitätswirtschaft, aber auch Absolventen der Hochschule Offenburg ein Zuhause geben. "Bis 2020 sind die Räume frei, im Juni 2019 soll die erste Bürgerinformation stattfinden", so Carmen Lötsch. "Wir wollen ein flexibles Konzept."
Denkt sie an den Bereich Konzerte und Theater, ist sie zuversichtlich, dass die Nachfrage da ist. "Für große Events und große Namen fliegen die Konzertbesucher heute um die ganze Welt", stellt sie fest. Städte wie Offenburg bräuchten kleinere Locations zwischen 100 und 150 Besucher. "Wir brauchen eine Veranstaltungsstätte, die Kult ist", wünscht sie sich.
Am Ende fasst sie die Entwicklungen und Strömungen im Kulturbereich für die Kommunen so zusammen: "Wir müssen am Puls der Zeit bleiben, müssen aber auch bewahren können. Für die Trends gibt es immer Unternehmen, die sie umsetzen."
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