Tagesverfügbarkeit der Feuerwehr
Es fehlt an Kameraden

Die Kehler Wehr im Einsatz | Foto: Stadt Kehl
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Lahr/Kehl (ds). Es ist eine Vorstellung, die einem richtig Angst einjagen kann: Es brennt, aber keiner kommt zum Löschen, weil der Feuerwehr schlichtweg die Leute fehlen. Besonders tagsüber stellt sich die Situation in manchen Wehren äußerst problematisch dar. Die Ursachen hierfür sind vielfältig – vom mangelnden Nachwuchs bis hin zur fehlenden Flexibilität der Arbeitgeber. Wir haben in den Großen Kreisstädten Lahr und Kehl nachgefragt, wie es hier um die Tagesverfügbarkeit bestellt ist.

Insgesamt 720 Einsätze absolvierte die Feuerwehr der Stadt Lahr im vergangenen Jahr, davon 477 Brand- und 243 Hilfeleistungseinsätze. 43 Menschenleben konnten dabei gerettet werden. Spätestens drei Minuten nach der Alarmierung müssen die Einsatzkräfte laut der "Hinweise zur Leistungsfähigkeit der Feuerwehr Baden-Württemberg" des Landesfeuerwehrverbandes und des Innenministeriums ausrücken. "Generell gilt, dass zum Beispiel für Wohnungsbrände die Feuerwehr Stadt Lahr mit mindestens 13 Funktionsstellen ausrückt, die auf eine unterschiedlich große Anzahl von Feuerwehrfahrzeugen verteilt sind, je nach Standort. Prinzipiell ist nicht auszuschließen, dass hierbei die erforderliche Anzahl nicht eingehalten wird", erläutert Brandoberamtsrat Thomas Happersberger auf Anfrage. Dieser Fall trat bisher aber noch nicht ein. "Lediglich im Hinblick auf die Ausrücke- und Eintreffzeiten kann sich die Situation ungünstig darstellen", so Happersberger.

Um die erforderliche Tagesverfügbarkeit zu garantieren, akquiriert die Feuerwehr Stadt Lahr ihr Personal unter der Woche während der Arbeitszeit überwiegend aus Beschäftigten der Stadt und ihrer Eigenbetriebe. "Demzufolge ist nicht generell von einem Problem bei der Tagverfügbarkeit zu sprechen", betont der Brandoberamtsrat. Problematisch sind die Zeiten, zu denen sich die Feuerwehrangehörigen  auf den Weg zur Arbeit machen oder abends zurück nach Hause gehen. "In diesem Zeitfenster, morgens und abends, sind Ausrückezeit und Personalverfügbarkeit ungünstig zu bewerten", konstatiert er. "Insbesondere in den Sommermonaten ist die Tagverfügbarkeit am Wochenende in Lahr zwar grundsätzlich gegeben, stellt sich bisweilen jedoch als ungünstig dar, was am veränderten Freizeitverhalten der Menschen liegt", so Thomas Happersberger. 

Im Gegensatz zu anderen Feuerwehren im Land sieht Happersberger die Tagesverfügbarkeit durch unflexible Arbeitgeber nicht gefährdet: "Problemstellungen mit Arbeitgebern der freien Wirtschaft sind im Wesentlichen nicht bekannt. Selbstverständlich setzt dies voraus, dass eine gute Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Thema Engagement in der Feuerwehr stattfindet." Arbeitgeber können vor allem profitieren: "Feuerwehrangehörige verfügen neben ihrer beruflichen Kompetenz über eine weitere fundierte Ausbildung in den Themenkomplexen Arbeitsschutz. Hierzu zählt, dass sie zu Selbsthilfekräften im Brandschutz, aber auch zu Ersthelfern bestellt werden können", so der Lahrer Brandoberamtsrat.

280 Feuerwehrangehörige hat die Stadt Lahr derzeit im Einsatzdienst. "Im Bereich des Hauptamts sind es acht Feuerwehrgerätewarte sowie zwei Beamte des gehobenen feuerwehrtechnischen Dienstes, wobei nur eine der beiden Stellen derzeit besetzt ist", berichtet Thomas Happersberger. Nachwuchssorgen hat die Lahrer Wehr mit den Abteilungen Lahr, Reichenbach, Kuhbach, Sulz, Kippenheimweiler, Mietersheim, Langenwinkel und Hugsweier nicht. Das ist insbesondere auf die sehr starke Jugendfeuerwehr mit 165 Mitgliedern zurückzuführen. "2017 wurde außerdem eine Kindergruppe innerhalb der Jugendfeuerwehr gegründet, die diese weiter verstärken soll", so Happersberger.

"Die Nachwuchssorgen sind sehr groß. In einigen Ausrückbereichen ist die Tagverfügbarkeit kaum gegeben, so dass andere Ausrückbereiche und Gemeindefeuerwehren im Erst-alarm mitalarmiert werden", erklärt Annette Lipowsky, Pressesprecherin der Stadt Kehl, auf Anfrage. Allerdings konnte die Feuerwehr Kehl im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit vielen Jahren einen Anstieg der aktiven Angehörigen verzeichnen. Von Anfang 2017 bis heute stieg die Zahl von 230 auf 249 aktive Feuerwehrangehörige. Alleine aus der Jugendfeuerwehr konnten sechs Angehörige in den aktiven Dienst wechseln.

"Die Kehler Feuerwehr bemüht sich bereits seit Jahren engagiert um Nachwuchs. Ein wichtiger Faktor der Nachwuchsgewinnung ist Jugendfeuerwehr. Dieser gehören derzeit etwa 30 Jugendliche an", so Lipowsky.

Das hauptamtliche Personal der Kehler Feuerwehr besetzt am Tag die Schlüsselfunktionen wie Fahrzeugführer oder Maschinist. Dadurch ist eine Verbesserung der Tagesverfügbarkeit vorhanden. Bis 2020 sollen am Tag vier Schlüsselpositionen durch hauptamtliche Kräfte besetzt werden. "Dennoch kann auf das Ehrenamt nicht verzichtet werden. Zur Entlastung der ehrenamtlichen Kräfte werden derzeit Kleineinsätze, wie beispielsweise Türöffnungen, Mülleimerbrände oder Ölspuren, durch die hauptamtliche Wache selbstständig abgearbeitet", berichtet die städtische Pressesprecherin.

Für Annette Lipowsky sind die Gründe für die fehlende Tagesverfügbarkeit vielschichtig: "Viele Arbeitnehmer sind nicht mehr in der Stadt oder Stadtnähe beschäftigt und pendeln über längere Fahrstrecken zu ihrem Arbeitsplatz. Dadurch ist die verfügbare Freizeit eingeschränkt, was viele dazu bewegt, den Feuerwehrdienst aufzugeben. Diejenigen, die im Stadtgebiet arbeiten, können oftmals den Arbeitsplatz nicht ohne weiteres verlassen, da ansonsten die Produktion stehen bleiben müsste oder Aufträge mit hohem Termindruck nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können. Allgemein ist der Anspruch auf Freizeit – Stichwort Work-Life-Balance – gestiegen. Das persönliche Bedürfnis, sich zum Wohle der Allgemeinheit engagieren zu wollen, steht bei vielen nicht oder nicht mehr im Vordergrund."

Da Eigensicherung und Eigenschutz der Einsatzkräfte höchste Priorität haben, rückt die Kehler Feuerwehr nicht unter der Mindeststärke aus. Ist nach einer kurzen Wartezeit, rund fünf Minuten, absehbar, dass die erforderliche Zahl nicht erreicht werden kann, werden umgehend weitere Kräfte nach-alarmiert. Ein Löschgruppenfahrzeug beispielsweise kann neun Einsatzkräfte aufnehmen. Die Mindestzahl liegt bei sechs Einsatzkräften, einer Staffel. Das Hubrettungsfahrzeug kann mit maximal drei und mindestens zwei Kräften ausrücken. "Je nach Einsatz-Stichwort und Ausrückfolge unterscheidet sich auch der Bedarf an Einsatzkräften. Bei einem Wohnungsbrand werden in den ersten zehn Minuten nach Alarm mindestens sechs Kräfte mit dem Löschgruppenfahrzeug und zwei Kräfte mit dem Hubrettungsfahrzeug benötigt. Nach fünf weiteren Minuten muss ein weiteres Fahrzeug mit sechs Einsatzkräften eintreffen. Mit dem Zugführer und Führungsassistent sind es mindestens 16 Einsatzkräfte", erklärt Annette Lipowsky.

Die Kehler Wehr im Einsatz | Foto: Stadt Kehl
Die Feuerwache in Lahr | Foto: ds

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