Attraktivität Kehls
Wie Vermieter lebendige City mitgestalten können

Prof. Marc Wölfle von der Deutschen Immobilien-Akademie der Universität Freiburg zusammen mit Wirtschaftsförderin Fiona Härtel | Foto: Stadt Kehl
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  • Prof. Marc Wölfle von der Deutschen Immobilien-Akademie der Universität Freiburg zusammen mit Wirtschaftsförderin Fiona Härtel
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Kehl (st). Letztlich sind es die Hauseigentümer, die mitbestimmen, wie sich eine Innenstadt entwickelt. Schließlich sind sie es, die entscheiden, an wen sie die Laden- und Gastroflächen in den Erdgeschossen vermieten. Was getan werden kann – und muss –, um zunehmende Leerstände in der Fußgängerzone und den angrenzenden Straßen zu vermeiden, darüber sprachen IHK-Innenstadtberater Thomas Kaiser und Professor Marc Wölfle von der Deutschen Immobilien-Akademie der Universität Freiburg auf Einladung der Wirtschaftsförderung mit Besitzern von Immobilien im Kehler Stadtzentrum.

173 gewerbliche Erdgeschossflächen im Stadtzentrum

173 gewerblich genutzte Erdgeschossflächen gibt es in den 1A-, 1B- und 1C-Lagen im Kehler Stadtzentrum. Zusammen mit der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK) hat die Stadtmarketing- und Wirtschaftsförderungs-GmbH diese in der Fußgängerzone, in dazu parallellaufenden Straßen sowie in den Verbindungen zum City Center und zum Centrum am Markt definiert.

101 der Flächen zählen zu den 1A-Lagen. Die gute Nachricht: 81 Prozent der Einzelhandels und Gastronomiebetriebe in diesem Bereich werden – auf wissenschaftlich fundierter Basis – gute Zukunftsaussichten prognostiziert, berichtet Wirtschaftsförderin Fiona Härtel und schiebt die schlechte Nachricht gleich hinterher: 20 Prozent der risikobehafteten Unternehmen befinden sich in den 1A-Lagen. Als eine der Schwächen der Innenstadt sieht sie darüber hinaus die zunehmenden Leerstände im Centrum am Markt.

Mit geringer Leerstandsquote "super aufgestellt"

Dennoch sei Kehl mit einer Leerstandsquote von 2,9 Prozent in der Innenstadt im Vergleich zu anderen Mittelzentren „super aufgestellt“, sagte Thomas Kaiser in seinem Vortrag; in anderen Städten stünden 23 von 100 möglichen Gewerbeflächen leer. Unterstützung bekam er von Marco Wölfle: Kehl profitiere dauerhaft von der großen Nachbarstadt Straßburg; in der Rheinstadt gebe es zehn bis 15 Prozent mehr Einzelhandel als in vergleichbaren anderen Städten. Die zahlreichen Tabakläden sieht der Wissenschaftler nicht nur unter dem Stadtbildaspekt als problematisch an: Sie korrigierten auch das Mietniveau nach oben, erklärte er: Die Mietpreise für Einzelhandelsflächen in Kehl lägen um fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter über denen in den anderen Städten ähnlicher Größenordnung und machten damit die Ansiedlung weniger gewinnträchtiger Branchen schwieriger.

Für 69 Prozent der Erwachsenen ist vor allem die Schönheit einer Innenstadt das Hauptargument für einen Besuch. Für die Immobilienbesitzer sei das eine schlechte Nachricht, reagierte Fiona Härtel auf die durch Umfragen festgestellte Tatsache: „Sie sollen weniger Miete verlangen und gleichzeitig investieren“, richtete sie sich an das Publikum der Veranstaltung. Aktivitäten und Events stehen in der Hitliste der Gründe für Aufenthalte in Stadtzentren mit 64 Prozent an zweiter Stelle, die Angebotsvielfalt folgt mit 61 Prozent knapp dahinter.

Und genau hier könne man ansetzen, erläuterte Thomas Kaiser: Leerstehende Flächen könnten Startup-Unternehmen überlassen werden, damit sie testen können, ob ihre Produkte marktfähig sind; mehrere Einzelhändler könnten gemeinsame Angebotsmärkte einrichten; Landwirte, Weingüter oder Manufakturen ihre Produkte direkt in der Innenstadt vermarkten. Auch Popup-Fitness-Clubs und viele andere Dienstleistungsbereiche seien in Innenstädten denkbar. Umbaumaßnahmen, Einrichtung und Betrieb solcher Übergangslösungen können über ein Landesprogramm zu 60 Prozent gefördert werden, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass die 40 Prozent Eigenanteil sichergestellt sind. Die Obergrenzen für die Förderung liegen bei 75 000 Euro für ein Jahr und bei 150 000 Euro bei einer Mietdauer von zwei Jahren und zwar unabhängig von der Größe der Fläche. In dieser Zeit kann es auch Mieterwechsel geben, stellte Thomas Kaiser das Landesprogramm vor. Antragstellerin kann nur die Stadt sein – Vermieter können sich damit nicht selber um die Aufnahme ins Förderprogramm bemühen.

Die Einzelhandelslandschaft werde sich weiter verändern, fasste Fiona Härtel zusammen: Anbieter von Waren des täglichen Bedarfs würden bleiben, Schuhe wollten Kundinnen und Kunden meist auf Passform und Bequemlichkeit testen und Schmuck gerne im Original sehen und anfassen. Dienstleister, wie Versicherungen, Makler oder auch Schönheitssalons würden den Weg ins Stadtzentrum finden, ist sie überzeugt. Damit das gelingen kann, müsse es allerdings „einen Mieteinbruch“ geben: Von Interessenten, die sich bei der Wirtschaftsförderung gemeldet haben, weiß sie: „Die Mieten, die aufgerufen wurden, waren für diese nicht zu erwirtschaften.“

Oft erfahre die Wirtschaftsförderung von drohenden Leerständen erst, wenn die Ausverkaufsschilder an Ladentüren oder in Schaufenster hingen, bedauerte Fiona Härtel und forderte die Vermieterinnen und Vermieter auf, sich möglichst sofort bei der Wirtschaftsförderung zu melden, wenn sich die Kündigung eines Mietverhältnisses andeute: „Dann können wir schneller reagieren.“ Um die Hauseigentümer näher kennenzulernen, schlug sie einen regelmäßigen Austausch, vielleicht im Rahmen einer Art Stammtisch, vor. Wer daran Interesse hat, kann sich per E-Mail an Fiona Härtel wenden.

Foto 1 Bildunterschrift: Damit die Kehler Fußgängerzone eine belebte Einkaufsmeile bleibt, müssen die Mieten in der Rheinstadt sinken.
Foto 2 Bildunterschrift: Professor Marc Wölfle von der Deutschen Immobilien-Akademie der Universität Freiburg zusammen mit Wirtschaftsförderin Fiona Härtel.

Prof. Marc Wölfle von der Deutschen Immobilien-Akademie der Universität Freiburg zusammen mit Wirtschaftsförderin Fiona Härtel | Foto: Stadt Kehl
Damit die Kehler Fußgängerzone eine belebte Einkaufsmeile bleibt, müssten die Mieten in der Rheinstadt sinken. | Foto: Stadt Kehl

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