Peter Cleiß, Schulleiter in Kehl, über das Projekt im Port-du-Rhin
"KaleidosCOOP" soll das Zusammenleben verändern
Kehl/Straßburg. Das Straßburger Projekt "KaleidosCOOP" ist ein zentrales Projekt im Osten Straßburgs am Rhein für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Hier sollen Einwohner, Projektträger, Verbände und Unternehmen ihre Kompetenzen teilen, gemeinsam voranschreiten und sich bei der Entwicklung ihrer jeweiligen Projekte gegenseitig unterstützen. Auf Kehler Seite ist Peter Cleiß als Schulleiter der Beruflichen Schulen einer der Ansprechpartner. Rembert Graf Kerssenbrock sprach mit Peter Cleiß über das Zukunftsprojekt.
Wie kam zu Ihnen als Schulleiter der Kontakt zustande?
Ein zentraler Baustein der Kooperation zwischen unserer Schule und der französischen Arbeitsbehörde „Maison de l'emploi“ ist die Ausbildung junger Franzosen in dem Unternehmen BAG in Kehl. Diese Jugendlichen besuchen im Rahmen ihrer dualen Ausbildung den Unterricht an den Beruflichen Schulen. Seit 2014 bin ich zusammen mit Dominik Fehringer (Wirtschaftsregion Ortenau), Bernd Wiegele (Industrie- und Handelskammer), Andreas Volkert (BAG) und Horst Sahrbacher (Agentur für Arbeit) eines von fünf deutschen Mitgliedern des „Conseil d'Administration“.
Welches Interesse hat das Elsass und welches die Ortenau?
Das aktuelle Interesse ist bestimmt vom Fachkräftemangel auf Seiten der Ortenau und der hohen Jugendarbeitslosigkeit auf Seiten des Elsass. Aber allen Beteiligten ist klar, dass es um wesentlich mehr geht. Wenn wir uns sprachlich nicht verstehen, wenn wir die Lebensräume und Arbeitsmärkte nicht zusammenführen, bekommen wir zwar die belastenden Faktoren einer offenen Grenze, aber nicht die positiven Faktoren des Zusammenlebens. Unser Interesse auf beiden Seiten muss sein, dafür zu sorgen, dass Ortenauer und Straßburger genauso gut zusammenleben und arbeiten wie Ortenauer und Breisgauer. Und dafür braucht es Maßnahmen im Bereich der Bildung und Ausbildung wie auch der Blick auf den Arbeitsmarkt.
Wie erfolgreich ist die Vermittlung über den Rhein?
Im Augenblick geht es nach meiner Beobachtung fast ausschließlich um Arbeitskräftevermittlung und dies auch nur in Richtung Ortenau. Im Bereich der Ausbildung gibt es neben dem erwähnten BAG-Projekt noch immer den Versuch, deutsch-französische Einzelhandelskaufleute auszubilden. Im Bereich der akademischen Ausbildung ist die Zahl der Ortenauer, die an der Straßburger Uni studieren, meines Wissens verschwindend gering. Die deutschen Studierenden dort kommen von überall her, aber kaum aus der Ortenau. Wir brauchen bei Bildung und Ausbildung im grenznahen Bereich erkennbar etwas anderes.
Ausbildung läuft auf französischer und deutscher Seite völlig unterschiedlich. Nähern sich die beiden Systeme einander an?
Sie müssen sich annähern. Wenn wir weiterhin junge Menschen bis zum Eintritt ins Berufsleben auseinander-bilden, werden diese sich bei ihrer Suche nach einem Arbeitsplatz kaum auf der anderen Rheinseite umschauen. In unseren Schulen ist es doch längst ganz natürlich, dass junge Türken, Italiener oder Kroaten zusammen mit jungen Deutschen ausgebildet werden und später nebeneinander im Betrieb arbeiten. Zu denken, dass das gleiche zwischen jungen Franzosen und jungen Deutschen nicht möglich sein soll, ist absurd. Wenn demnächst die Ausbildungsabschlüsse zwischen Deutschland und Frankreich gegenseitig anerkannt werden, wie dies der Aachener Vertrag vorsieht, gibt es kein Argument mehr dafür, Straßburger und Kehler nicht zusammen auszubilden, aber es gibt viele Argumente für eine gemeinsame Ausbildung. Deshalb fordere ich seit längerem eine deutsch-französische Berufsschule, die idealerweise hier im Port-du-Rhin angesiedelt werden sollte.
Das Projekt im französischen Port-du-Rhin-Viertel steht unter dem Titel "KaleidosCOOP". Was ist dort geplant?
Mit dem Projekt, das nur wenige 100 Meter hinter der Rheinbrücke liegt, verfolgt Straßburg und das "Maison de l'emploi" mehrere Ziele: hier sollen Wohnen, Arbeiten und Freizeit einerseits, sowie Franzosen und Deutsche andererseits, bunt gemischt ein Zuhause finden. Im Kleinen kann hier Modellhaft wachsen, was in Zukunft für die Region Straßburg-Ortenau beziehungsweise den Oberrhein insgesamt gelten könnte: ein Modell gelebter deutsch-französischer europäischer Zusammengehörigkeit. Nur im Port-du-Rhin gibt es Stadtzentrumsnahe und zugleich überbaubare Flächen an der Schnittstelle von Deutschland und Frankreich. "KaleidosCOOP" kann zur Keimzelle eines echten gemeinsamen Lebens- und Arbeitsraumes für Deutschland und Frankreich werden. Wenn unsere Enkel einmal die einstige Grenze zwischen Deutschland und Frankreich so erleben, wie wir heute die einstige Grenze zwischen Baden und Württemberg, dann haben wir einen Traum verwirklicht: wir haben die lokalen Identitäten bewahrt und zugleich unsinnig Trennendes überwunden.
Wie ist die Resonanz auf Ortenauer Seite an dem Projekt?
Derzeit ist der Bekanntheitsgrad des Projekts "KaleidosCOOP" auf der Ortenauer Seite noch gering. Diejenigen die davon gehört haben, reagieren interessiert, junge Leute teilweise begeistert. Ein Ortenauer Musik-Label überlegt sich hier anzusiedeln, Deutsch-französische Anwaltskanzleien zeigen Interesse und vor allem Firmen, die schon jetzt auf beiden Rheinseiten agieren, knüpfen Kontakt mit dem "Maison de l'emploi". Deshalb werden derzeit Info-Materialien in deutscher Sprache vorbereitet, um diesen Nachfragen besser gerecht zu werden. Und natürlich werden demnächst auch gezielte Info-Veranstaltungen folgen. Einen ersten Einblick und nach und nach alle wichtigen Infos findet man schon jetzt auf der Internet-Seite www.kaleidos.coop/de. Das junge, moderne, deutsch-französische und europäische Straßburg wird hier seinen Platz haben und wir alle können dabei sein – was gibt es Besseres?
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