"Viele kommen erst dann, wenn gar nichts mehr geht"
Online-Geschäfte lassen die Menschen im Kinzigtal in die Schuldnerfalle tappen
Haslach (cao). In die Schuldenfalle tappt man schneller, als einem lieb ist, das weiß man auch bei der Schuldnerberatung des Caritasverbands Kinzigtal in Haslach. "Vor allem durch Online-Käufe und -Kredite, kostenpflichtige Internetspiele und eine Vielzahl von Telekommunikationsangeboten", erklärt der Schuldnerberater und Diplom-Sozialpädagoge Michael Schneider.
Laut einer bundesweiten Statistik gehört die Arbeitslosigkeit mit 29,1 Prozent zu den Hauptauslösern, gefolgt von Scheidung oder Trennung mit 13 Prozent und einem falschen Konsumverhalten mit 9,3 Prozent. Auch eine gescheiterte Selbstständigkeit führt bei 10,5 Prozent zur Überschuldung, bei 10,2 Prozent ist eine Krankheit Auslöser. "Man spricht von den 'Big Five'", erklärt dazu der Diplom-Sozialpädagoge und verweist darauf, dass sich die bundesweiten Zahlen auch auf das Kinzigtal übertragen lassen.
"Gründe können auch eine gescheiterte Immobilienfinanzierung oder Familiengründung mit Nachwuchs und der Wegfall eines zweiten Erwerbseinkommens sein", so Schneider. "Mangelnde Finanzkompetenz und ein schwieriges Umfeld sind weitere Ursachen", hakt Sozialarbeiterin Constanze Blank ein. Sie gehört mit zum Team, das neben ihr und Michael Schneider auch aus dem Sozialpädagogen Gerhard Schrempp, Michaela Himmelsbach, Bachelor Erziehungswissenschaft, und Ulrike Egenmaier, Verwaltungs-assistenz der Schuldnerberatung, besteht. Auch der frühzeitige Tod eines Partners könne eine ungewollte Schuldner-situation herbeiführen. Ganz klar ist aber für Constanze Blank: "Jeder kann in eine solche Situation kommen."
Die Entwicklung im Kinzigtal ist in der Schuldnerberatungsstelle des Caritassozialdiensts in den vergangenen Jahren etwa gleichbleibend. Wie das Team erklärt, waren es 2017 insgesamt 161 Personen, die eine längerfristige Schuldnerberatung in Anspruch nahmen. Bei rund einem Drittel der Beratungsanfragen ging es um finanzielle Probleme, Existenzsicherung und Schulden. Menschen, die eine Schuldnerberatung, die auch mehrere Jahre dauern kann, in Anspruch nehmen, sind zwischen 30 und 70 Jahren alt. "Der größte Teil kommt aus eigenem Antrieb. Teils auf Empfehlung vom Arbeitgeber, Jobcenter oder von Familienangehörigen", so Schneider. Oft kämen die Menschen jedoch eher zu spät als zu früh – auch wenn eine Beratung kostenfrei ist. "Erst dann, wenn der Kühlschrank leer ist und gar nichts mehr geht", ergänzt Michaela Himmelsbach. Um den Schuldnern einen adäquaten Weg aus der Schuldenfalle aufzuzeigen, setzt sich die Beratung aus verschiedenen Bausteinen zusammen: "Es gilt, einen Überblick zu gewinnen", erklärt Schneider. "Wie kann man Ausgaben verringern und Einnahmen erhöhen?" Hier gehöre das Beantragen von Sozialleistungen oder Wohngeld zu den existenzsichernden Maßnahmen bei Miet- und Energieschulden. Auch gelte es, einen Überblick über die Gläubiger zu gewinnen, auf Pfändungsschutzmaßnahmen hinzuweisen, Finanzwissen zu vermitteln, Vergleiche mit Gläubigern in die Wege zu leiten oder ein Verbraucher-Insolvenzverfahren zu beantragen, zählt Schneider die Maßnahmen auf. Hinzu käme das Ansprechen von zugrundeliegenden psycho-sozialen Problemlagen und eine etwaige Weitervermittlung in andere Dienste.
Für eine umfassende Hilfe arbeitet das Team mit Insolvenz- und Vollstreckungsgerichten, Gerichtsvollziehern, Banken, Inkassobüros, Insolvenzverwaltern und der kommunalen Arbeitsförderung Ortenaukreis zusammen. "Wir sind die Vorlaufstelle, die Aufklärer. Oft ist die Scham aber eine Hemmschwelle", sagt Constanze Blank und Michaela Himmelsbach ergänzt: "Trotzdem sollten die Menschen frühzeitig eine Beratung in Anspruch nehmen." Weitere Informationen zum Thema gibt es auch online.
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