Zur Vermeidung bedienen sich Städte unterschiedlicher Anlageformen
Kommunen sind ebenfalls von Negativzinsen betroffen
Ortenau. „Negativzinsen in Höhe von 0,2 bis 0,4 Prozent wurden uns von Seiten der hiesigen
Kreditinstitute zum 1. Oktober angekündigt. Teilweise wird allerdings
danach noch ein freier Sockelbetrag von einer Million Euro gewährt“,
teilt Peter Hotz, Leiter des Fachbereichs Finanzen bei der Stadt
Offenburg, auf Anfrage mit. Auch für das Landratsamt stehen ab Oktober
diese finanziellen Belastungen durch die Geldinstitute an, bestätigte
die Finanzdezernentin des Kreises, Jutta Gnädig. Anders für die Stadt
Lahr: „Eine Aussage über die Höhe möglicher Negativzinsen ist nicht
möglich, da von den Kreditinstituten hier noch keine Informationen über
die mögliche Höhe und die weiteren Konditionen vorliegen“, erklärt
Jürgen Trampert für die Stadtkämmerei.
Damit würden einige der Banken die von der Europäischen Zentralbank verlangten Negativzinsen,
die sie auf Einlagen zu zahlen haben, auch an Kommunen weiterreichen.
„Bei einer durchschnittlichen Liquidität von rund 8,9 Millionen Euro im
vergangenen Jahr wären Zinsaufwendungen in Höhe von etwa 30000 Euro
fällig, nennt Offenburgs Stadtkämmerer Hotz konkrete Zahlen. Die
Liquiditätssicherung erfolge zum einen durch tägliche Umbuchungen
zwischen den verschiedenen Girokonten, um die jeweils günstigsten
Konditionen auszunutzen, erläutert er die städtischen Möglichkeiten.
Grundsätzlich seien dies aber zusätzliche Posten für den städtischen
Haushalt, sollte sich an der Zinspolitik nichts ändern. „Diese
Negativzinsen haben darüber hinaus aber zunächst keine Auswirkungen auf
die grundsätzliche Ausrichtung der städtischen Finanzpolitik“, betont
Hotz.
„Soweit sich die Kreditinstitute, was zu erwarten ist, alle gleich verhalten, dürfte es kaum möglich sein Negativzinsen, zu
vermeiden“, sieht Lahrs Kämmerer die Gefahr der zusätzlichen Belastung.
Die Einführung von Negativzinsen seien eine Entwicklung, die Kommunen,
welche eine solide Finanzpolitik betreiben würden, vor große
Herausforderungen stellten. Eine Gefährdung einer nachhaltigen
Finanzpolitik sei derzeit aber nicht zu erkennen, so Trampert für Lahr.
Denn: „Durch den historischen Tiefststand der Zinsen für
Kommunaldarlehen entstehen natürlich auch Vorteile an der Kapital- und
Geldmarktsituation“, betont er.
„Wir sind derzeit an der Haushaltsplanung und können daher noch keine konkrete Aussage machen“,
so Gnädig zu den Folgen. „Durch überproportionale Ausgabenerhöhungen,
insbesondere im Sozialbereich, wird die Liquidität in den nächsten
Jahren allerdings zurückgehen“, prognostiziert Gnädig für den Kreis.
„Durch den Verbund zwischen Kernhaushalt und Eigenbetrieben werden
interne Liquiditätsunterschiede ausgeglichen, wodurch einerseits hohe
Überziehungszinsen, andererseits aber auch Negativzinsen vermieden
werden können“, beschreibt sie das Jonglieren.
Einig sind sich die drei Kämmerer, dass die Nachhaltigkeit der kommunalen Haushalte und
die Sicherstellung der Aufgaben sowie auch zukünftige Investitionen
weiterhin im Mittelpunkt der Etats der Städte und des Kreises stünden.
Der Kreis habe einen „niedrigen Schuldenstand und angemessenen
Liquiditätsstand, Offenburgs Kernhaushalt sei weiterhin schuldenfrei und
auch Lahr sieht für die anstehenden Haushaltsberatungen nicht, dass
sich diese Debatte niederschlagen werde.
Die Stadtverwaltung Achern erklärt auf Anfrage: „Unsere Hausbanken haben die Erhebung von
Negativzinsen, die sie auch als ‚Verwahrentgelte‘ bezeichnen, ab dem 1.
Oktober vorgesehen. Eigentlich müssten wir dann im Umkehrschluss für
Kontoüberziehungen Guthabenzinsen erhalten. Damit werden sich die Banken
jedoch schwer tun. Vielmehr sind die Überziehungszinsen nach wie vor
sehr hoch.“ Jedoch haben bisher nicht alle Banken Negativzinsen
angekündigt. So könne man die Liquiditätsströme anhand verschiedener
Anlageformen so steuern, dass sich möglichst wenig Mittel auf den Konten
befinden, für die Negativzinsen erhoben werden. Schließlich müsse man
die Situation nehmen, wie sie sei.
Im Kernhaushalt, in dem zuletzt 2007 ein Darlehen aufgenommen wurde, konnte die Stadt Achern in
der Vergangenheit aufgrund vorhandener Liquidität von nicht
unerheblichen Zinseinnahmen profitieren, während die Eigenbetriebe
Kredite benötigt haben und hierfür im Vergleich zu heute höhere Zinsen
gezahlt werden mussten. „Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt davon aus,
dass sich die nächsten Haushaltsberatungen nicht wesentlich anders
gestalten werden als bisher. In der Vergangenheit mussten wir im
Kernhaushalt stets Kredite einplanen, die wir infolge der tatsächlichen
Finanzentwicklung dann letztlich nicht benötigt haben. Sollten
Kreditaufnahmen erforderlich werden, profitieren wir von den niedrigen
Zinsen“, heißt es aus dem Acherner Rathaus.
Die Stadt Oberkirch zahlt auf ihren Girokonten bereits Negativzinsen. „Durch die
Anlagenfestschreibung gelingt es derzeit noch, die Verzinsung im leicht
positiven Bereich zu halten. Die Bestände auf den Girokonten
bewirtschaften wir permanent so, dass nur die unbedingt notwendige
Liquidität verbleibt“, berichtet Stadtkämmerer Frank Spengler. Im
laufenden Jahr rechnet er auf den Girokonten mit einer Belastung von
unter 1000 Euro. „Dieser Belastung stehen freilich positive Zinserträge
aus Festgeldanlagen gegenüber, die diese Negativzinsen mehr als
ausgleichen“, so Spengler. In den vergangenen Jahren konnte die Stadt
vom niedrigen Zinsniveau profitieren und die Zinsbelastung durch
Umschuldungen deutlich reduzieren. Für Frank Spengler wird mit der
Einführung von Negativzinsen „lediglich“ eine emotionale Schwelle
überschritten. Denn: „Der wirtschaftliche Schritt von plus 0,1 Prozent
nach minus 0,4 Prozent ist nicht gravierend.“
Der Ortenaukreis arbeitet derzeit an der Haushaltsplanung für 2017 und 2018. Konkrete
Aussagen darüber, wie Negativzinsen, die ab Oktober verlangt werden,
vermieden werden könnten, könne man deswegen derzeit nicht machen.
„Außerdem werden durch den Verbund zwischen dem Kernhaushalt und den
Eigenbetrieben interne Liquiditätsunterschiede ausgeglichen, wodurch
einerseits hohe Überziehungszinsen, andererseits aber auch
Negativzinsen vermieden werden können“, so Finanzdezernentin Jutta
Gnädig. Generell gebe es für die Anlage von öffentlichen Geldern
gesetzliche Restriktionen. „So sind zum Beispiel Spekulationsgeschäfte
verboten“, informiert Gnädig. Das Thema Negativzins werde sich wohl
nicht in den Haushaltsberatungen niederschlagen: „Im Vordergrund werden
wie bisher die Sachthemen, die Aufgabenerfüllung und die
Investitionspolitik stehen, zumal durch überproportionale
Ausgabenerhöhungen insbesondere im Sozialbereich die Liquidität in den
nächsten Jahren zurückgehen wird“, erklärt Jutta Gnädig.
„Die Weitergabe der Negativzinsen für Guthaben auf Giro- beziehungsweise Tagesgeldkonten betrifft auch die Kommunen“, teilt
Philip Kaufmann, Rechnungsamtsleiter der Gemeinde Willstätt, mit.
„Einige regionale Banken haben uns mitgeteilt, dass ab dem 1. Oktober
für das Girokonto ab einem Kontostand von einem Euro ein Negativzins von
0,2 Prozent und ab einer Million Euro ein Negativzins von 0,4 Prozent
in Rechnung gestellt wird.“ Damit würden die Banken die von der
Europäischen Zentralbank verlangten Negativzinsen, die sie auf Einlagen
zu zahlen haben, weiterreichen. Die Städte Kehl und Rheinau müssen
derzeit noch keine Negativzinsen auf Guthaben zahlen.
„Bei uns würde eine dauerhaft vorgehaltene Liquidität von zwei Millionen Euro
beispielsweise mit 8000 Euro Negativzinsen belastet, gleichzeitig sind
steigende Bankgebühren für Serviceleistungen aller Art zu beklagen“, so
Kaufmann. Die Summe der zu zahlenden Zinsen möglichst niedrig zu halten
bei gleichzeitiger Garantie der Liquidität – also der Vorgabe, dass eine
Kommune jederzeit ihre Verbindlichkeiten begleichen können muss – ist
nicht einfach. „Derzeit können wir den Auswirkungen durch Umschichtung
der Mittel in andere sichere Geldanlagenmodelle in Form von
kurzfristigen Termin- beziehungsweise Festgeldern noch entgegenwirken“,
erläutert Kaufmann. Die Verzinsung in diesem Bereich sei aber auch stark
rückläufig: „Inwieweit dies künftig noch bei Banken, die im deutschen
Einlagesicherungsfonds sind, möglich ist, wird die Marktlage zeigen.“
Martin Härdle, Leiter Finanzen der Stadt Kehl, sieht nur eine Möglichkeit, den
Negativzinsen entgegen zu wirken: „Die Liquidität knapper kalkulieren,
den Rest auf ein Jahr festlegen.“ Ähnlich schätzt auch sein Rheinauer
Kollege, Uwe Beck, die Lage ein: „Soweit Negativzinsen auch auf
Sichteinlagenbestände erhoben werden, kann man diese nur durch eine
konsequente Kassendisposition minimieren, jedoch nie ganz vermeiden. Im
Bereich von Tage- und Festgeldern gibt es nach wie vor Angebote von
einlagengesicherten Banken, bei denen positive Zinserträge gut
geschrieben werden.“
Doch die Kommunen beschäftigen nicht nur die Negativzinsen. „Bei längerfristigen Einlagen sieht es zwar noch besser
aus“, sagt Philip Kaufmann. Allerdings könne man beispielsweise eine
neunmonatige Geldanlage von einer Millionen Euro mit einer Rendite von
0,19 Prozent nicht wirklich als lukrativ bezeichnen. „Längerfristige
Einlagen erzielen in geringerem Umfang als früher eine Rendite“, stimmt
auch Uwe Beck zu. Als Beispiel nennt er den Zukunftsfond der Stadt
Rheinau, der 2015 nur eine Wertentwicklung von 2,84 Prozent hatte.
Allerdings profitieren die Kommunen auch von den niedrigen Zinsen bei Krediten.
„Im Jahr 2009 hat Willstätt noch 126800 Euro Zinsen für knapp 2,4
Millionen Euro Kredite bezahlt“, so Kaufmann. „Im Jahr 2015 waren es
53000 Euro an Zinsen für 2,3 Millionen Euro – also ein Rückgang von
knapp 60 Prozent.“ Doch glücklich ist der Kämmerer mit dieser
Entwicklung nicht: „Die Politik hat wenig Anreize, die Zinspolitik zu
ändern – da ihre Haushalte dann mit stärkeren Zinsbelastungen
konfrontiert werden und gleichzeitig die Gefahr besteht, dass die
europäische Wirtschaft davon Schaden nehmen wird.“
Einig sind sich alle drei Kämmerer darin, dass trotz der Zinskapriolen eine
nachhaltige Finanzpolitik in einer Kommune möglich ist. Uwe Beck:
„Nachhaltige Finanzpolitik erfordert generationsgerechtes Handeln,
welches auch in einer Negativzinsphase erfolgen kann.“
Autor: rek/ds/gro
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