Julius-Hirsch-Platz eingeweiht
Ort des Gedenkens und der Mahnung

Bei strömendem Regen wurde der Julius-Hirsch-Platz offiziell von Angehörigen der Familie Hirsch (l.), Oberbürgermeister Klaus Muttach und DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann (r.), eingeweiht. | Foto: mak
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  • Bei strömendem Regen wurde der Julius-Hirsch-Platz offiziell von Angehörigen der Familie Hirsch (l.), Oberbürgermeister Klaus Muttach und DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann (r.), eingeweiht.
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Achern (mak). Das Datum hätte kaum besser gewählt sein können. Am vergangenen Donnerstag, 7. April, wurde auf den Illenauwiesen der Julius-Hirsch-Platz offiziell eingeweiht und darüber hinaus eine Stele enthüllt, die den Lebensweg des auf den Tag genau vor 130 Jahren in der Illenau geborenen, jüdischen Fußballnationalspielers Julius Hirsch, der im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde, nachzeichnet. 

Diese aus Cortenstahl gefertigte Stele mit dem Logo des Mahnmals "Gedächtnislücke" erweitert als Station Nr. 6 die "Orte des Gedenkens", die im Bereich der Illenau auf die Opfer der NS-Diktatur hinweisen. Die Leiterin des Stadtarchivs, Andrea Rumpf, hat nach aufwendigen Forschungen den Lebensweg von Julius Hirsch recherchiert und die Tafeln in Abstimmung mit Andreas Hirsch, dem Enkel von Julius Hirsch, gestaltet. 

Neben der Stele wurde auch ein Outdoor-Tischkicker installiert, dessen Finanzierung die Bürgerstiftung Achern, die Regionalstiftung der Sparkasse Offenburg/Ortenau und die Badenova ermöglichten. Neben dem Fußball soll dieses Element gleichzeitig Menschen, Familien, Fremde, Jung und Alt verbinden und auch auf die guten Zeiten, die Julius Hirsch als Fußballer hatte, hinweisen. 

Illenau als Ort der Menschlichkeit

Die Einweihung des Julius-Hirsch-Platzes bei strömendem Regen war allerdings nur der Auftakt zu einem sehr gelungen Abend, bei dem die skizzierten Erlebnisse im Leben von Julius Hirsch zum Anlass genommen wurden, um über die Themen Rassismus, Ausgrenzung und Antisemitismus zu diskutierten. Nach dem musikalischen Auftakt von Jens Weber, Mona Metzinger und Luis Gronmeier folgte eine berührende Gesangseinlage von Keren Vogler, Präsidiumsmitglied von Makkabi e. V., dem jüdischen Turn- und Sportverband in Deutschland, die das Lied "Unter dayne wayse Shtern", das im Ghetto von Vilnius entstand, auf Jiddisch sang. 

"In einer Zeit, in der wieder ein Krieg in Europa tobt und der in der Menschheit verborgene Bazillus der Menschenverachtung wieder ausgebrochen ist, muss die Illenau Ort und Symbol sein, wo Menschlichkeit herrscht", betonte Oberbürgermeister Klaus Muttach bei seiner Ansprache in der Reithalle.

Schüler zeichnen Lebensweg nach

Was Menschenverachtung und Ausgrenzung für Julius Hirsch bedeuteten, zeigten Schülerinnen der Klasse 9b des Gymnasiums Achern, Lilli Tisch, Mayda-Irie Schmidt, Stella Vogel, Klara Espenschied, Alisa Mainhardt und Lilly Karcher, in einer Präsentation, die Stationen aus dem Leben des Fußballers beleuchtete: sein steiler Aufstieg als erfolgreicher Sportler bei seinem Heimatverein Karlsruher FV, seine Nationalmannschaftskarriere, in der in seinem zweiten Länderspiel 1912 gleich vier Tore schoss. Es sollten die einzigen Treffer im Nationalmannschaftstrikot bleiben. 

1914 wird er Soldat und kämpft im Ersten Weltkrieg. Er wird mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Als Fußballspieler war er ab 1919 wieder für den Karlsruher FV aktiv. Der Verein konnte jedoch nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Julius Hirsch beendete schließlich 1925 seine aktive Fußballlaufbahn. Neben den zwei Meistertiteln hatte Julius Hirsch vier süddeutsche Meisterschaften gefeiert, war siebenmal für die deutsche Nationalmannschaft angetreten, davon zweimal bei Olympischen Spielen.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird Hirsch wegen seiner jüdischen Abstammung verfolgt. Die Schülerinnen zitieren aus einem Brief Hirschs an seinen KFV, nachdem dieser, wie alle anderen Sportvereine seit 1933 auch, seine jüdischen Mitglieder ausschloss: „Ich lese heute im Sportbericht Stuttgart, dass die großen Vereine, darunter auch der KFV, einen Entschluss gefasst haben, dass die Juden aus den Sportvereinen zu entfernen seien. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV, dem ich seit 1902 angehöre, meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene deutsche Juden gibt.“ 

Die Demütigungen gehen weiter. Ab 1939 wird Hirsch zur Zwangsarbeit verpflichtet. Er lässt sich sogar von seiner nicht jüdischen Frau scheiden, um seinen beiden Kindern Schlimmeres zu ersparen. Am 1. März 1943 steigt er in einen Zug nach Auschwitz. Sein letztes Lebenszeichen ist eine Postkarte, die am 3. März in Dortmund abgestempelt wurde: „Meine Lieben. Bin gut gelandet, es geht gut. Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse euer Juller“.

Erinnerung ist wichtig

Warum sie sich mit dem Thema überhaupt beschäftigt haben, wollte Moderatorin Nina Reip von den Schülerinnen wissen. "Der Nationalsozialismus ist deshalb sehr interessant, weil diese Zeit noch sehr nah ist", findet Klara Espenschied. Ihre Mitschülerin Stella Vogel hat sich mit den Ausgrenzungsmechanismen in der NS-Diktatur beschäftigt. Einig waren sich die Schülerinnen zudem, dass Julius Hirsch ein eng gedrängtes Leben hatte und die Erinnerung an ihn wichtig sei. Deshalb sei  die Benennung des Platzes wichtig, damit er nicht in Vergessenheit gerate. 

Podiumsdiskussion

Was der Sport leisten kann, um Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen, diskutierten im Anschluss der ehemalige Fußballnationalspieler Jimmy Hartwig, Ronny Zimmermann, Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes, und Keren Vogler. 

Ronny Zimmermann berichtete von einer Israelreise der deutschen U21-Nationalmannschaft, bei der es zu einem Treffen mit dem Holocaust-Überlebenden Zvi Cohen kam. "Es ist etwas anderes, wenn dir jemand persönlich seine Geschichte erzählt." Das mache etwas mit den Spielern und sensibilisiere sie. Deshalb sei auch die Verleihung des Julius-Hirsch-Preises so wichtig, betonte Zimmermann. Mit dem Preis werden Projekte und Initiativen ausgezeichnet, die sich für Demokratie und Menschenrechte und gegen Antisemitismus, Rassismus, Extremismus und Gewalt wenden. "Im Jahr 2022 müssen in Deutschland immer noch jüdische Einrichtungen beschützt werden", so Zimmermann weiter. 

Keren Vogler betonte, dass die Erinnerungsarbeit des DFB sehr positiv sei, gab aber auch Einblicke in die Lebenswirklichkeit jüdischer Vereine in Deutschland. "Wir haben in unseren Vereine einen Davidstern als Logo. Viele Spieler verbergen das Symbol des Vereins", erzählte sie. Antisemitismus habe viele Gesichter, besonders schmerzhaft seien Ereignisse, die einen "kalt erwischen", mit denen man nicht rechne, führte sie weiter aus. Sie betonte aber auch, das es "mehr Gutes als Schlechtes gebe. Wir sind auf einem guten Weg." 

Jimmy Hartwig war der Meinung, dass der Fußball eine große Strahlkraft habe, um Positives zu bewirken. In seiner eigenen Biografie hat er etliche Ausgrenzungserfahrungen machen müssen. "Für mich ist die Geschichte von Julius Hirsch ganz nah an mir dran", erzählte er. Und weiter: "Ich bin in der Schule wegen meiner Hautfarbe bespuckt worden."  Sein eigener Großvater, der überzeugter Nationalsozialist gewesen sei, habe ihn nur wegen seiner Hautfarbe verprügelt. "Meine Seele ist gebrochen", so ein sichtlich aufgewühlter Jimmy Hartwig. Für ihn sei das Ehrenamt deshalb besonders wichtig. Es müsse vor allem mit Respekt und Anerkennung gestärkt werden. "Zivilcourage kann manchmal auch wehtun, um andere zu schützen", so Hartwig. 

Einig waren sich die Diskutanten, dass nichts so sehr verbinde wie der Sport. Dabei sei das Leitmotiv der Fairplay-Gedanke. "Wenn sich alle an diese Regel halten, ist die Welt in Ordnung", sagte Ronny Zimmermann abschließend.

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