IHK-Konjunkturbericht Herbst 2022
Ausblick trübt sich langsam
Ortenau/Freiburg(st) Die IHK Südlicher Oberrhein hat die Unternehmen aus der Region um Auskunft über ihre derzeitige Geschäftslage und ihre Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung gebeten. Die Ergebnisse der Umfrage zum Herbst 2022 präsentierte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon am Donnerstag in Freiburg. Trotz Konjunktursorgen rief IHK-Präsident Eberhard Liebherr die Menschen auf, nicht in Pessimismus zu verfallen. Der stellvertretende IHK-Präsident Dr. Michael Faller berichtete, wie sein Unternehmen Faller Packaging mit den Herausforderungen umgeht.
Nachfrage gut
„Die Nachfrage ist in vielen Bereichen unvermindert gut“, sagt Salomon. „Die Auftragsbücher sind voll, die bestehenden Probleme mit den Lieferketten und der Fachkräftemangel sorgen allerdings weiterhin für Probleme im Produktionsablauf.“ Ihre aktuelle Geschäftslage bewertet immer noch ein Großteil der Unternehmen recht positiv: 83 Prozent (Frühsommer 2022: 88 Prozent) der Befragten bezeichnen sie weiterhin als gut oder befriedigend. Der Index der Geschäftslage verliert im Vergleich zum Frühsommer zwölf Punkte, bleibt aber mit 18 Punkten im positiven Bereich.
Pessimismus
Mit Blick auf die kommenden Monate tritt jedoch der Pessimismus in den Vordergrund. Nur noch knapp 13 Prozent der Unternehmen glauben, dass sich die eigenen Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten verbessern werden (Frühsommer 2022: 19 Prozent), etwa 42 Prozent (Frühsommer 2022: rund 31 Prozent) gehen vom Gegenteil aus. Somit stürzt der Index der Geschäftserwartungen von 21 Punkten zum Jahresbeginn auf nun minus 29 Punkte ab. Salomon: „Das ist der schlechteste Wert der Geschäftserwartungen seit der globalen Finanzkrise 2008/2009. Auch während der Hochphase der Corona-Pandemie gab es weniger Zukunftssorgen. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Verunsicherung der Unternehmen momentan sehr hoch ist.“ Die insgesamt negative Erwartungshaltung in den Unternehmen drückt sich auch im IHK-Konjunkturklimaindex aus, der aus den Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen kombiniert wird. Ein Wert unter 100 Punkten deutet auf eine Rezession hin, und mit einem Wert von 92 hat der Index im Herbst diese Marke erstmals seit dem Sommer 2020 wieder unterschritten.
Inflationsdruck
Gespeist wird die Verunsicherung hauptsächlich durch den Inflationsdruck, vor allem stark steigende Energie- uns Rohstoffpreise, aber auch einen deutlichen Zinsanstieg in vergleichsweise kurzer Zeit, die unter anderem zu einem Dämpfer der Bautätigkeit führen. „Die Bauwirtschaft hat zehn Jahre eine Hochkonjunktur erlebt, doch nun sagen professionelle Immobilieninvestoren: ‚Wir warten erst einmal ab.‘ Und bei vielen jungen Familien zerplatzen gerade die Träume von den eigenen vier Wänden, weil die Finanzierung nicht mehr gewährleistet ist“, beschreibt Salomon. „Für die Bauindustrie heißt das: Die Erwartungen an das künftige Geschäft stürzen hier besonders stark ab.“ Auch im Gastgewerbe schwindet die Zuversicht drastisch. Salomon: „Die Gastronomie merkt natürlich, dass sich die Menschen aufgrund der deutlich gestiegenen Preise einschränken und auch mal auf einen Restaurantbesuch oder den Gang in die Kneipe verzichten.“
Hohe Energiepreise
Die hohen Energiepreise stellen für Unternehmen aus allen Branchen ein besonders großes Problem dar. Gravierend ist die Belastung laut der Umfrage im Hotel- und Gastgewerbe. Hier geben 95 Prozent der Befragten an, dass sie darin ein Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung sehen. Auf Platz zwei folgt die Industrie mit 85 Prozent. Dass die Betriebe beim Einsatz von Strom und Gas nicht die Hände in den Schoß legen können, ist eine logische Konsequenz. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Unternehmen geben an, dass ihnen nichts anderes übrigbleibt, als die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben. 47 Prozent reagieren mit der Investition in die Energieeffizienz, und 14 Prozent sehen sich gezwungen, die Produktion herunterzufahren beziehungsweise das Angebot zu reduzieren.
"Notfallstufe"
Das gilt umso mehr, sollte die Bundesregierung im Winter im Rahmen des Notfallplans Gas die „Notfallstufe“ feststellen und Gaslieferungen an Unternehmen drosseln. Zwar benötigen auf der einen Seite 43 Prozent der befragten Industriebetriebe kein Gas oder können darauf verzichten, auf der anderen Seite müsste annähernd ein Viertel (24 Prozent) der Unternehmen die Produktion einstellen, sollte es zu einer Drosselung der Gaslieferungen von 25 Prozent kommen.
Beschäftigungsniveau
Trotz aller negativer Vorzeichen wird das Beschäftigungsniveau auf hohem Niveau bleiben. „Es herrscht die paradoxe Situation, dass wir in eine Rezession rutschen werden, der Fachkräftemangel aber trotzdem allgegenwärtig bleibt“, sagt Salomon. 69 Prozent der Unternehmen planen laut der Umfrage keine Veränderungen der Belegschaftsgröße, 13 Prozent wollen sogar die Zahl der Mitarbeiter ausbauen. Nur 18 Prozent planen einen Stellenabbau. Mit einer Arbeitslosenquote von derzeit rund 3,5 Prozent im Gebiet der IHK Südlicher Oberrhein kann weiterhin von einen Niveau nahe der Vollbeschäftigung gesprochen werden. Fachkräfte sind und bleiben also ein limitierender Faktor für die Unternehmen. In der Herbst-Umfrage geben 69 Prozent der Unternehmen – und damit so viele wie noch nie – an, offene Stellen nicht besetzen zu können. Zum Vergleich: Bei der Umfrage im Jahr 2013 waren es lediglich 28 Prozent.
Strom günstiger am Spotmarkt
Einsicht in seinen Betrieb gab Michael Faller, geschäftsführender Gesellschafter von Faller Packaging in Waldkirch. Der Spezialist für Faltschachteln, Haftetiketten und Packungsbeilagen für pharmazeutische Produkte kann sich den steigenden Energiekosten ebenfalls nicht entziehen. Faller kalkuliert mindestens mit einer Verdoppelung der Energiekosten im Betrieb, aber nur, weil das Unternehmen versucht, Strom günstiger am Spotmarkt einzukaufen. „Im August war die Entwicklung sehr dramatisch. Hätten wir unseren Strom zu diesem Zeitpunkt eingekauft, stünde unter dem Strich eine Versiebenfachung der Kosten“, berichtet Faller, dessen Unternehmen am Standort Waldkirch rund 600 Menschen beschäftigt. Zusammen mit allen Standorten – auch im Ausland – sind es etwa 1.300 Mitarbeiter. Faller: „Wir müssen versuchen, diese Kostensteigerungen – auch die zu erwartenden Lohnerhöhungen – auf irgendeine Weise an unsere Kunden weiterzugeben. Allein durch Effizienzmaßnahmen könne wir sie nicht mehr kompensieren.“ Dabei habe Faller Packaging aufgrund der stark angezogenen Kosten für Karton und Papier bereits drei Preissteigerungsrunden bei seinen Kunden durchgesetzt. Aufgrund der Sondersituation in der Pharmabranche mit weiterhin hoher Nachfrage sei dies möglich. Faller bleibt für sein Unternehmen daher optimistisch: „Die Geschäftserwartung für kommendes Jahr ist immer noch gut.“
Volle Auftragsbücher
Auch IHK-Präsident Eberhard Liebherr sieht trotz der schwierigen Rahmenbedingungen keinen Grund, in Pessimismus zu verfallen: „Wir haben volle Auftragsbücher in der Industrie und reden davon, dass die Welt zusammenbricht. Davor möchte ich warnen, das bringt uns nicht weiter.“ Liebherr äußert die Hoffnung, dass die Entlastungspakete der Bundesregierung – unter anderem der Gaspreisdeckel – ihre Wirkung entfalten werden. „Für die Psyche der Menschen ist das unglaublich wichtig. Wenn ich im Dezember als Verbraucher meinen Gas-Abschlag nicht bezahlen muss und noch weitere Unterstützungen hinzukommen, wird das bei den Menschen hoffentlich dazu führen, dass noch Geld für andere Ausgaben übrigbleibt und sie hoffentlich sagen: ‚So schlimm wird es schon nicht.‘“
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